Archive for Januar 2013

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27. Januar 2013

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Russland und Deutschland im Kalkül Lenins

23. Januar 2013

 Rußland und Deutschland waren durch den ersten Weltkrieg in eine Isolation geraten, obwohl sie zwei ganz unterschiedliche Wege gegangen waren. Durch die Oktoberrevolution fand Rußland seine eigene Lösung, revolutionär aus dem imperialistischen Krieg auszuscheiden, wurde aber eine „belagerte Festung“; das revolutionslose Deutschland dagegen wurde zum Spielball der Ententesieger 1., obwohl ja der „Coup“ auf Gegenseitigkeit zwischen Lenin und dem deutschen Generalstab gelungen war: die militärische Paralyse Rußlands. Auf den ersten Blick widersinnigerweise warf der deutsche Stab aber nicht alle Kräfte gen Westen, sondern ging 1918 raubgierig großraumdenkend tiefer in den Osten hinein. Der englische Oberkommandierende, Feldmarschall Haig, sagte nach dem Ersten Weltkrieg, sechs deutsche Divisionen mehr im Westen hätten wohl den Ausschlag zugunsten Deutschlands gebracht.  Cirka eine Millionen deutsche Soldaten verblieben stattdessen im Osten, obwohl sie im Westen dringend gebraucht wurden. „Indes hatten die deutschen Industriellen jedoch schon ihre den Donbass und das Baltikum betreffenden „Bestellungen“ abgegeben“. 2. Aber so verschieden die Ergebnisse des ersten Weltkrieges für beide Länder auch war, Lenin erspürte bereits Anfang 1921 bei der Begründung der NEP eine Art zwillingshafter Verwandtschaft zwischen beiden Ländern: Sozialismus wäre, wenn Rußland Deutschland politisch und Deutschland Rußland ökonomisch ergänze. „Die Geschichte (von der niemand, vielleicht außer den menschewistischen Flachköpfen ersten Ranges, erwartet hatte, daß sie uns glatt, ruhig, leicht und einfach den „vollen“ Sozialismus bringen werde) nahm einen so eigenartigen Verlauf, daß sie im Jahr 1918 zwei getrennte Hälften des Sozialismus gebar, eine neben der anderen, wie zwei künftige Küken unter einer Schale des internationalen Imperialismus. Deutschland und Rußland verkörpern 1918 am anschaulichsten die materielle Verwirklichung einerseits der ökonomischen, produktionstechnischen, sozialwirtschaftlichen Bedingungen und anderseits der politischen Bedingungen für den Sozialismus“. 3. Kurz: Sozialismus wäre ein Sowjetstaat vom Typus der Pariser Commune plus einer Wirtschaft mit großkapitalistischer Technik und planmäßiger Organisation, noch kürzer: Pariser Commune und deutsche Post, Sowjetmacht und Elektrifizierung. Eine staatliche Organisation, „die Dutzende Millionen Menschen zur strengsten Einhaltung einer einheitlichen Norm in der Erzeugung und Verteilung der Produkte anhält“. 4. Es war das Schicksal der Leninschen Oktoberrevolution, dass sie keine eineiigen Zwillinge gebar, in politischer und ökonomischer Hinsicht. Rußland war den fortgeschrittenen Ländern politisch voraus, ökonomisch, insbesondere makroökonomisch, hinkte es hinterher. Die NEP war gerade der Versuch, dieses spezifische russische Mißverhältnis (es gab ja auch noch das umgekehrte spezifisch deutsche) zwischen der Kraft der Politik und den „Kräften“ der Ökonomie unter den Vorzeichen einer zunächst ausbleibenden Weltrevolution so zu gestalten, dass über eine staatskapitalistische Wirtschaft die ökonomischen Grundlagen des Sozialismus errichtet werden konnten – die NEP zeigte immer an, dass die russische Bourgeoisie 1917 nur politisch, nicht ökonomisch besiegt worden war. Jeder wirtschaftliche Erfolg unter der NEP war auch immer mit einem gewissen kapitalistischem Wachstum behaftet, es wurde bereits von einer „neuen Bourgeoisie“ gesprochen. (Umgekehrt war es bei der NEP der Perestroika, in ihr sollte der politische Überbau einer unter überwuchernden kapitalistischen kleinbesitzerlichen Strukturen bereits erstickten sozialistischen ökonomischen Basis angepasst werden und wurde von dieser tötlich verschlungen. Dass dies tötlich ist, hätte Gorbatschow aus einem Brief von Engels an Conrad Schmidt vom 27. Oktober 1980 entnehmen können. Gorbatschow als Reformator konnte daher nur als Doppelzüngler auftreten.). In Deutschland war das ökonomische Niveau für den Sozialismus vorhanden, nach Lenin sogar vorbildlich, aber die flachköpfige deutsche Sozialdemokratie, die sich immer weniger auch verbalpolitisch auf Marx und Engels berief, war zum Bluthund der Konterrevolution, mit den zu Beginn des ersten Weltkrieges von Rosa Luxemburg ausgesprochenen Worten: zu einem stinkenden Leichnam 5.  pervertiert und liquidierte mit den Novemberräten die deutsche Commune. Nach Lenin hing der Sieg der kommunistischen Weltrevolution von den  Entwicklungswegen dieser beiden Länder ab. Schon vor der Oktoberrevolution war diese weltgeschichtliche Schlüsselconjunction ein elementarer Bestandteil Leninschen Denkens: es gäbe zwei Wege, das imperialistische Völkergemetzel und zwar weltweit zu beenden: die proletarische Revolution in Russland und Deutschland oder die Soldatenverbrüderung an den Fronten. Zur ersteren wurde zum Beispiel vom Zentralkomitee der SDAPR im Mai 1917 im „Aufruf an die Soldaten aller kriegführenden Länder“ aufgefordert 6. Oder aber: auf Verbrüderungsmeetings zwischen russisichen und deutschen Soldaten müsse gezeigt werden, dass die proletarische Revolution in diesen beiden Ländern die ganze Menschheit sofort aufatmen ließe, der Sieg des Sozialismus in allen Ländern gesichert sei. 7.  „Der Russe wird beginnen – der Deutsche vollenden“. Das war die Zuversicht des internationalen Proletariats. Deshalb drang Lenin auch, nachdem das Polen Pilsudskis Anfang März 1920 die Sowjetunion überfallen hatte, darauf, den Gegenstoß bis an die deutsche Grenze zu führen, um mit Deutschland in Berührung zu kommen zwecks Entfachung der Revolution. Im Oktober 1918 hatte Radek noch gesagt: „Wir schauen auf Deutschland wie auf eine Mutter, die eine Revolution gebiert, und sollten uns die Deutschen nicht dazu zwingen, werden wir nicht die Waffen gegen sie erheben, ehe das Kind nicht geboren ist“. 8. So oder so, ob autonom oder subventioniert, beide Wege endeten in einer Sackgasse, erwiesen nicht, dass nach Russland Deutschland das schwächste Glied in der imperialistischen Kette sei und führten nicht zum deutschen Paradies der Arbeiter und Bauern. Es half auch nichts, dass die kommunistische Partei in Deutschland nach der russischen weltweit die stärkste war. Im Gegenteil: in Deutschland bestätigte sich dann auch auf tragische Weise, was Lenin im Revolutionsjahr 1905 über, wenn man so will, revolutionäre Fehlgeburten dozierte: „Es wäre falsch zu glauben, dass die revolutionären Klassen immer über genügend Kraft verfügen, um einen Umsturz zu bewerkstelligen, wenn dieser auf Grund der gesellschaftlich-ökonomischen Entwicklung vollauf herangereift ist. Nein, die menschliche Gesellschaft ist nicht so vernünftig eingerichtet und nicht so „bequem“ für die fortgeschrittenen Elemente. Der Umsturz kann herangereift sein, allein die Kräfte der revolutionären Schöpfer dieses Umsturzes können sich als ungenügend erweisen,ihn zu bewerkstelligen – dann fault die Gesellschaft, und diese Fäulnis kann Jahrzehnte hindurch dauern“. 9. In Deutschland hat dann diese Fäulnis eine wirklich braune Farbe angenommen. Fehlten in Deutschland Revolutionserfahrungen ? Vom jungen Marx ist überliefert, dass Deutschland nie eine erfolgreiche Revolution, sondern immer nur alle erfolgreichen Konterrevolutionen mitgemacht hat. 10.

1. Der Leninsche Weg war Frieden, war „Atempause“ für das gemarterte Russland um jeden Preis. In der Frage des Brester Friedens, der am 3. März 1918 in Kraft trat, wollten Bucharin (und Trotzki unentschlossen: weder Krieg noch Frieden) gerade den Wunsch der Entente erfüllen, Rußland wieder in das imperialistische Völkergemetzel hineinzuziehen, umgekehrt nährte der große Verlust, den Rußland durch Brest erlitt – unter anderem 73 % seiner Schwerindustrie – das Gerücht, Lenin sei ein deutscher Agent. Für Rosa Luxemburg war der Brester Vertag eine „Kapitulation des russischen revolutionären Proletariats vor dem deutschen Imperialismus“. (Rosa Luxemburg, Die russische Tragödie. Spartacus Nr. 11 / September 1918, in: Spartakusbriefe, herausgegeben vom Institut des Marxismus Leninismus beim ZK der SED, Berlin 1918,454). Rosa Luxemburg hatte sich also zu den „Linken Kommunisten“ um Bucharin gesellt, denen Lenin kleinbürgerliche Zügellosigkeit vorwarf, „die sich mitunter hinter „linken Losungen“ versteckt“. (Lenin, Über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit, Werke Band 27, Dietz Verlag Berlin 1960,315). Die Brestfrage teilte die Bolschewiki in drei Gruppen: die „linken“ Kriegskommunisten um Bucharin, denen viele linke Sozialrevolutionäre angehörten und die auch einen Partisanenkrieg gegen das deutsche Heer konzipierten, die Weder-Noch-Gruppe um Trotzki, und die Friedensgruppe um Lenin (Stalin, Sinowjew, Kamenjew). Lenin wollte einem, wie er meinte, für Russland aussichtslosen  Krieg ausweichen und sich notfalls bis zum Ural zurückziehen, was er offen zugab. Das Brester Zusatzabkommen vom 27. August 1918 enthielt drei Geheimklauseln über militärische Parallelaktionen. Dieses Zusatzabkommen war im Grunde das Eingangstor zur Hölle der Armeesäuberungen in den 30er Jahren, in denen natürlich nicht Lenins Nachfolger, sondern Generäle und Marschälle als Agenten abgeurteilt wurden. Wenn man assoziiert: in gewisser Weise war der deutsch-sowjetische Nichtangriffspakt auch eine Parallelaktion. Brest hielt die militärische Niederlage Deutschlands nicht auf , durch sie war die imperialistische Welt in politischer Hinsicht nicht mehr monolithisch und die Sowjetunion konnte außenpolitisch diese Spaltung im imperialistischen Lager ausnutzen. Auf Grund dieser Konstellation mußte es früher oder später zunächst zu einer Annährung zwischen der Sowjetunion und Deutschland kommen. Aber eben nur zunächst. Den ersten zarten Anfang unternahm der sowjetische Außenkommissar Tschitscherin, der am 1. August 1918 dem deutschen Botschafter Helfferich in Moskau vorschlug, „gegen die Alliierten gemeinsame Sache zu machen“. (Hellmut Andics, Der Grosse Terror, Verlag Fritz Molden Wien, 1967,231). Helfferich zeigte auf Anraten des deutschen Militärattachés Major Schubert Tschitscherin zunächst noch die kalte Schulter, weil zu diesem Zeitpunkt Schubert im Einklang mit der Auffassung der westeuropäischen Eliten nur von einer kurzen Lebensdauer der Sowjetunion ausging. Es dauerte gar nicht lange, da war Schubert mittlerweile als Oberstleutnant Mitarbeiter der „Sondergruppe R“ im Reichskreigsministerium, die geheime Kontakte zur Roten Armee knüpfte.  In der Sowjetunion wurden dann unter strenger Geheimhaltung Reichswehroffiziere ausgebildet, die dann den großen, nach Hitler „weltanschaulichen“ Krieg gegen sie vorbereiteten. Sie wußten viel über die Rote Armee, mehr als westalliierte Offiziere (der „schlaue“ General Gehlen profitierte nach dem zweiten Weltkrieg von diesem Wissensvorsprung) wie ungekehrt sowjetische Offiziere, die Kontakt zu Reichswehrkreisen hatten, ins tödliche Visier der politischen Geheimpolizei gerieten. Das waren Wirkungen des am 16. April 1922 von Tschitscherin und Walther Rathenau unterzeichneten Rapallo Vertrages, zu dem auf sowjetischer Seite der polnische Halbjude Karel Sobelsohn alias Karl Radek die Vorverhandlungen führte und bei dieser Gelegenheit Anfang 1922 in Berlin auch mit General Seeckt zusammentraf.  Der deutsche Reichspräsident Friedrich Ebert beteiligte sich aktiv an der antisowjetischen Hetze und versuchte das Zustandekomen dieses Vertagswerkes zu verhindern. Er trägt eine Mitschuld, dass die rechtsextreme Terrororganisation „Consul“ Rathenau am 24. Juni 1922 wegen Rapallo ermordete. In Lenins Denken spiegelten sich bereits 1918 Befürchtungen, dass ein Zusammenschluß der alliierten Imperialisten mit den deutschen Sowjetrußland erdrosseln könnte, selbst in diesem Fall wäre der Versuch des roten Oktober nicht umsonst gewesen. Umgekehrt gab er die Möglichkeit einer erfolgreichen Revolution über die Ausbeuter in nur einem Land als den typischen Fall an, die gleichzeitige Revolution in einer Reihe von Ländern als seltene Ausnahme. (Siehe Lenin, Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, Werke Band 28, Dietz Verlag Berlin, 1959, 294 und 252)

2. Alexander Vatlin, Deutschland im weltpolitischen Kalkül der Bolschewiki 1918, in: Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus, „Die Wache ist müde“, Neue Sicht auf die russische Revolution von 1917 und ihre Wirkungen, herausgegeben von Wladislaw Hedeler / Klaus Kinner, Karl Dietz Verlag Berlin2008,103

3. Lenin, Über die Naturalsteuer, Werke Band 32, Dietz Verlag Berlin, 1961,346f. Natürlich konzentrierten sich die Bolschewiki auf eine Revolution in Westeuropa, in Japan gab es keine mit dem ersten Weltkrieg zusammenhängende Rätebewegung. Sowohl das reaktionäre Deutschland als auch das reaktionäre Japan stellten für die Bolschewiki eine Gefahr dar, für sie gab es, was unserem eurozentristischen Denken leicht entgleitet, einen west östlichen Imperialismus. Lenin dachte bereits 1918 zweifrontig. Eins teilt sich in zwei. (Vergleiche Lenin, Über „linke“ Kinderei und über Kleinbürgerlichkeit, Werke Band 27, Dietz Verlag Berlin, 1957,322).

4. a.a.O.,346. Die NEP bewahrheitete eben die Aussage von Marx, dass die Revolution gründlich ist und viele Phasen durchmacht, „wenn sie eine alte Gestalt zu Grabe trägt“. (Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie/Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1957,382).

5. siehe: google: lenin unser aller lehrer faschistische bluthunde unter sich. Bereits 1913 machte Lenin die interessante Beobachtung, dass die deutsche Sozialdemokratie zum ideologischen Kampf von Karl Marx gegen viele seiner Gegner immer mehr eine eklektische Einstellung einnahm. (Vergleiche Lenin, Der Briefwechsel zwischen Marx und Engels, Werke Band 19, Dietz Verlag Berlin, 1959,548f.).

6. Aufruf an die Soldaten aller kriegführenden Länder, in: Lenin Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,176

7. Vergleiche Lenin, Entwurf einer Resolution über den Frieden, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978, 153. So sieht es auch Rosa Luxemburg: „Die ganze Rechnung des russischen Friedenskampfes beruhte nämlich auf der stillschweigenden Voraussetzung, daß die Revolution in Rußland das Signal zur revolutionären Erhebung des Proletariats im Westen: in Frankreich, England und Italien, VOR ALLEM (kursiv von Heinz Ahlreip) in Deutschland, werden sollte“. (Rosa Luxemburg, Die geschichtliche Verantwortung, Spartacus Nr. 8 vom Januar 1918, in: Rosa Luxemburg und die Freiheit der Andersdenken, Extraausgabe des unvollendeten Manuskriptes „Zur russischen Revolution“ und anderer Quellen zur Polemik mit Lenin, Dietz Verlag Berlin, 1990,89).

8. Zitiert nach dem Jahrbuch für Historische Kommunisforschung 2007,190 f. Lenin hatte bereits im August 1915 geäußert, dass die Bolschewiki „notfalls sogar mit Waffengewalt gegen die Ausbeuterklassen und ihre Staaten vorgehen“ (Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, Werke Band 21, Dietz Verlag Berlin 1960,346). werden.

9. Lenin, Das letzte Wort der „iskristischen“ Taktik oder eine Wahlkomödie als neuer Impuls, der zum Aufstand anregt, Werke Band 9, Dietz Verlag Berlin, 1957,367

10. Vergleiche Karl Marx, Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie/Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin 1962,379f. „Wir, unsere Hirten an der Spitze, befanden uns immer nur einmal in der Gesellschaft der Freiheit, am Tag ihrer Beerdigung (a.a.O.). Gleichwohl hatte auch der 25jährige Marx eine eigentümliche nationale Revolutionserwartung auf Deutschland gesetzt: gerade weil die deutschen Verhältnisse in emazipatorischer Hinsicht das Allerletzte sind, gerade deshalb kann durch das Proletariat der Umschlag erfolgen, „In Deutschland kann keine Art der Knechtschaft gebrochen werden, ohne jede Art von Knechtschaft zu brechen. Das gründliche Deutschland kann nicht revolutionieren, ohne von Grund aus zu revolutionieren“ (a.a.O.,391). Auch Lenin hatte an Deutschland einen Narren gefressen und schlug dafür Bündnisvarianten mit der Entente aus. „Deutschland als das Land der ältesten und stärksten Arbeiterbewegung ist…von ausschlaggebender Bedeutung“. (Lenin, Sozialismus und Krieg, Werke Band 21, Dietz Verlag Berlin, 1960,332). In einem am 10. Oktober 1923 in der Roten Fahne veröffentlichten Brief Stalins an Thalheimer hebt der Schreiber hervor, dass der Sieg der Revolution in Deutschland für das Proletariat in Europa und in Amerika eine größere Bedeutung habe als Lenins Oktoberrevolution ! Das Zentrum der Weltrevolution wandere von Moskau nach Berlin.

Kleine Anmerkung zum Verhältnis der Kommunistischen Partei zum Sowjetdemokratismus

22. Januar 2013

Nachdem die Okotoberrevolution die Doppelherrschaft beendet hatte,  blieb eine weitere Gedoppeltheit bestehen: die Räte und Lenins Partei. Eine Doppelherrschaft verschwand, eine blieb. Und diese zweite sollte zum zentralen politischen Problem der Oktoberrevolution, zum schwierigsten politischen Problemfeld ihrer Akteure werden. Mit ihrem Aufstand im März 1921 wollten die vom Ausland unterstützten Kronstädter Anarchistenmatrosen, insbesondere des Schiffes „Petropawlowsk“,  die Doppelherrschaft unter der Parole: „Sowjets ohne Bolschewiki“ auf konterrevolutionäre Weise beenden. 1. Kronstadt war im März 1921 noch einmal der Versuch des Kleinbürgertums, das Proletariat mit angeblich sowjetischen Losungen niederzuwerfen und menschewistisch ausgerichtete  Sowjets als seine spezifische Herrschaftsform zu verewigen. Denn Sowjets ohne Bolschewiki hätte bedeutet, dass der schmerzloseste Übergang zum Sozialismus abgebrochen worden wäre, denn dieser ist lediglich möglich „bei einer die gesamte arme Bevölkerung umfassenden Organisation (Sowjets) und bei Unterstützung dieser Organisation durch das Zentrum der Staatsgewalt (Proletariat)“. 2.  Sowjets als nichtbolschewistische wären wieder ein Anhängsel der bürgerlichen Diktatur geworden, wie sie es ja 1917 gewesen waren, bolschewistische gerieten unter das Primat der bolschewistischen Partei. Deren demokratischer Zentralismus hatte sich durchgesetzt, nicht der sowjetische Demokratismus. Die Revolution ist eine recht physikalische Angelegenheit, und wo bitte bleibt die reine Demokratie ? rufen die Bürgerlichen im Chor. In den „Leitsätzen über die Rolle der Kommunistischen Partei in der proletarischen Revolution“ vom II. Kongress der Kommunistischen Internationale 1920 in Moskau heißt es, damit die Räte ihre historische Mission erfüllen, ist „die Existenz einer starken Kommunistischen Partei notwendig, die sich nicht einfach den Räten anpassen, sondern imstande sein muß, ihre Politik entscheidend zu beeinflussen; …durch die kommunistischen Fraktionen die Kommunistische Partei zu führenden Partei in den Räten zu machen“.  3.  Es ist bis heute wenig verstanden worden, dass sowohl die Sowjets als auch die Partei im marxistischen Sinne nur als historisch vorübergehende Herrschaftsformen konzipierbar sind. Lenin bezeichnete die Sowjets als „Vorboten des Absterbens jedes Staates“. 4. Der Revisionist Otto Bauer, Chefideologe der österreichischen Sozialdemokratie, deutete die Sowjets ebenfalls als historisch vorübergehend, aber im Sinne einer historischen Unterlegenheit gegenüber  den Parlamentarismus. In einem Artikel aus dem Jahre 1923: „Lieber weniger, aber besser“, der der  Verbesserung der Arbeiter- und Bauerninspektion gewidmet ist, schreibt Lenin von der Möglichkeit einer eigenartigen Verschmelzung von Partei- und Sowjetinstitutionen. 5. Aber aus der Sonderstellung des Proletariats im Produktionsprozess  der bürgerlichen Gesellschaft 6., die der Sonderstellung der Kapitalisten korrespondiert,  ergab sich zwingend, dass dessen politische Kampfpartei auch eine einnimmt. Am Ende hatte die Partei immer Recht. Es ist sehr fragwürdig, ob das marxistisch ist, es steht aber außer Frage, dass man im Ozean der Revolution zunächst das Schiff der Kampfpartei, die nach Stalin eine Art Schwertträgerorden darstelt, „felsenfest“ sichern muß. Auf dem VIII. Parteitag im März 1919 kam die Gruppe Sapronow-Ossinski mit ihrer Auffassung, dass die führende Rolle der Partei in der Arbeit der Sowjets in Frage zu stellen sei, nicht durch, sondern wurde als parteifeindlich gebrandmarkt. 7.

1.Vergleiche Lenin, Über die Naturalsteuer, Werke Band 32, Dietz Verlag Berlin 1961,372f. Die Kronstädter Matrosen von 1921, das waren nicht mehr die legendären aus der Oktoberzeit, die an den Fronten des Bürgerkreigs kämpften. Der Nachschub „stellte noch eine völlig urwüchsige bäuerliche Masse dar, die die Unzufriedenheit der Bauernschaft mit der Ablieferungspflicht widerspiegelte“. (Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946,303). Walk, einer der Kronstädter Rädelsführer, sprach sich für die Konstituante aus. Zeitgleich mit dem Matrosenaufstand fand der X. Parteitag der KPR (B) statt, auf dem die Ablieferungspflicht durch die Naturalsteuer ersetzt wurde. Die Idee der NEP war, dass der proletarische Staat ein Großkaufmann in einem kleinbäuerlichen Land werden sollte. Die besten Delegierten des X. Parteitages wurden an die Kronstädter Front geworfen, sie mußten über dünnes Eis vorgehen, viele ertranken.

2. Lenin, Die proletarische Revolution und der Renegat Kautsky, Werke Band 28, Dietz Verlag Berlin,1959,264. Die Revolution auf dem Dorf fand erst ein Jahr später 1918 nach der in den Hauptstädten statt. (Vergleiche Lenin,a.a.O.). Es ist kein Zufall, dass Lenin seine Polemik gegen den Renegaten Kautsky erst im Oktober/November 1918 schrieb: die Oktoberrevolution auch auf dem Dorf gab ihm die Gewißheit, dass die Sowjetmacht nicht auf Sand gebaut ist.

3. zit. in: Gerhard A. Ritter, „Direkte Demokratie“ und Rätewesen inGeschichte und Theorie, in: Die Wiedertäufer der Wohlstandsgesellschaft, Eine kritische Untersuchung der „Neuen Linken“ und ihrer Dogmen, herausgegeben von Erwin K. Scheuch, Markus Verlag Köln,1968,209

4. Lenin, Die Aufgaben des Proletariats in unserer Revolution, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1961,72

5. Vergleiche Lenin, Lieber weniger aber besser, in: Ausgewählte Werke Progress Verlag Moskau 1971,776. In der Geschichte der Sowjetbewegung hat es allerdings eine Verschmelzung gegeben, und zwar hatten Ende 1918 die im Juni 1918 per Dekret geschaffenen Komitees der Dorfarmut (Kombedy) ihre Aufgabe, gegen das Kulakentum zu kämpfen und die Neuverteilung beschlagnahmter Ländereien vorzunehmen, erfüllt und verschmolzen mit den Dorfsowjets. (Vergleiche Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946,269). Für cirka ein halbes Jahr gab es auf dem Dorf also eine weitere Doppelherrschaft.

6 Vergleiche Lenin, Die Aufgabe der russischen Sozialdemokraten, Werke Band 2, Dietz Verlag Berlin 1961,337. Aus dieser Polarität der gesellschaftlichen Sonderstellungen ergibt sich die marxistische Abkehr von jeglicher Menschheitsduselei, von den Philanthropen, Humanitären, ja von den Verbesserern der Lage der arbeitenden Klassen, wie es im Manifest heißt. (Vergleiche Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1977,488).

7. Vergleiche: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung, Berlin 1946285

Die geschichtliche Bedeutung der Auflösung der Duma im Januar 1918 in Russland

21. Januar 2013

Das Jahr 1917 der russischen Geschichte ist charakterisiert durch etwas ausgesprochen Zwitterhaftes. Aus der russischen Tradition kennen wir das Bild der doppelten Zaren, zum Beispiel wurden 1773 bis 1775 Bauernmassen im Pugatschow Aufstand durch das Gerücht mobilisiert, dass sie durch ihn den aus Sankt Petersburg vertriebenen echten Zaren wieder zu inthronisieren hätten.  Und eine Duplizität scheint, betrachtet man erlaubterweise die russische Geschichte flüchtig assoziativ, weiterzuwirken. Aus der Februarrevolution, die dank der revolutionären Energie der Volksmassen das Ende des Romanowzarismus 1. bedeutete, ergab sich ein eigentümlicher Schwebezustand für Millionen Menschen über Monate, in denen zwei sich beide als demokratisch ausgebende Herrschaftsformen auf einen Entscheidungskampf zutrieben. Die Dialektik von Herr und Knecht hatte sich, lax formuliert, in zwei auch von Lenin nicht vorhergesehene und in Erwägung gezogene rivalisierende Herren gespalten,  in zwei Herren ante portas, ein provisorisches und kommissarisches Komitee der Duma, das die Einberufung einer Konstituante plante (Termine aber immer wieder verschob, so dass sie erst im Januar 1918 zusammentrat) und die aus Kompanien und Fabriken gewählten Räte 2., weil die russische Bourgeoisie schon nicht mehr die alleinige Macht halten konnte, das Proletariat seinen Antipoden in einem zutiefst kleinbürgerlichen Land aber noch nicht souverän überragte. Das Kerenskiregime gehörte zu den Ausnahmeperioden in der Geschichte, in denen die kämpfenden Klassen fast gleichgewichtig sind und „die Staatsgewalt als scheinbare Vermittlerin momentan eine gewisse Selbständigkeit gegenüber beiden erhält“. 3. Keineswegs war der Sieg der proletarischen Revolution in dieser Schwebe gewiß, es zeigte sich vielmehr in dieser ungefähr die Dauer einer menschlichen Schwangerschaft einnehmenden Zeit, dass Revolutionen durch unvorhersehbare kleinbürgerliche  Schwankungen, wie in der Aprilkrise 4., raschlebige Improvisationen, rasch wechselnde Lagen, von Orientierungskrisen begleitet, und Paktierereien charakterisiert sind, die mit der Schulweisheit auch „marxistischer“ Schablonen nicht zu erfassen sind.  Unberechenbar sind für alle Parteien und politische Gruppen die direkte Einmischungen der Volksmassen in die politischen Haupt- und Staatsaktionen. Die Parole „Alle Macht den Räten“ kam dem Fieberpuls der Revolution natürlich näher als die Absicht, die revolutionäre Wut parlamentarisch zu kanalisieren und kaltlaufen zu lassen. Nur Großmeister der Revolution können im Ozean der Volksmassen die Dialektik von Revolution und Konterrevolution auf die gesellschaftliche Wirklichkeit anwenden. Auch Anhänger Lenins schwankten im Ozean der Revolution, paktierten mit dem Klassenfeind, indem sie die „Provisorische Regierung“ bedingt unterstützten. Sie hatten nicht den roten Faden aus dem Urtext der kommunistischen Bewegung an der Hand: „Von allen Klassen, welche heutzutage der Bourgeosie gegenüberstehen, ist nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klasse. Die übrigen Klassen verkommen und  gehen unter, das Proletariat ist ihr eigenstes Produkt“ 5. „Linke“ Kommunisten um Bagdadjew ließen sich von der Note des Außenministers und Geschichtsprofessors Miljukow vom 18. April provozieren und riefen am 21. April verfrüht zum proletarischen Aufstand auf, da die Menschewiki und die Sozialrevolutionäre sich noch nicht als Anhänger des Krieges und des Imperialismus, als wirklich nichtrevolutionär entlarvt hatten; andere Genossen wollten den weltrevolutionären Aufstand im September 1917 mit der Verhaftung der „Demokratischen Beratung“ beginnen. 6. Rußland schlief nicht mehr, es war in Bewegung gekommen, zwischen den Revolutionen des Sturmjahres 1917 wechselten die bürgerlichen Ministerkabinette sechsmal. Die Auflösung der Konstituante im Januar 1918 beendete die Möglichkeit eines Ministerkarussells. Sie rief zwar die Waffe der Kritik auf den Plan, nicht aber die Kritik der Waffen. Sie löste keinen Gegenschlag aus und gab Lenins Parlamentarismuskritik Recht. „Die übrigen Klassen verkommen und gehen unter…“ Nach dem Untergang des Parlaments atmete Russland förmlich auf, die bürgerliche Canaille konnte das Proletariat nun nicht mehr alle vier Jahre ver- und zertreten. Jetzt konnten die Bürgerlichen und ihre Politiker der revolutionären Flut nicht mehr gegensteuern und Lenins kleine Truppen schwommen wie Fische im Wasser mit der Strömung. Es kam die dyonisische, die trunkene Periode eines anarchischen Laissez-faire, ein Wetterleuchten, die Bauern auf dem Lande, die Arbeiter in den Industriestädten und die Soldaten in den Kasernen konnten mit ihren „Bourgeois“, mit ihren Offizieren abrechnen, sie notfalls an eine rostige Laterne bringen. Die Volksmassen machten selbst Politik. Hundert Blumen blühten auf, gestreichelt vom Windhauch eines zarten Kommunismus. 6. Alle spätere Verdammung der thermidorianischen Entartung der Revolution rekuriert auf diese kurze Geburtsstunde der Anarchie, bis innen- und außenpolitische Sachzwänge nicht nur die Massen einer rigorosen Disziplinierung unterwarfen, sondern auch die Leninsche Kaderpartei, der Fraktionsbildung untersagt werden mußte.  Nicht der sowjetische Demokratismus setzte sich durch, sondern der demokratische Zentralismus der Partei. Auf den ersten Blick hat jede Disziplinierungsmaßnahme einen konterrevolutionären Gehalt, aber untersucht man die Probleme der Revolution tiefer, so ist Herausbildung und Existenz eines harten Kerns von disziplinierten Parteirevolutionären notwendig als Bollwerk gegen konterrevolutionäre Machenschaften. Revolutionäre sind Einiger durch Blut und Eisen, keine Pluralisten, die bunte Schmetterlinge aufsteigen lassen. Die dem Leninismus eigentümliche „knochenbrecherische Politik“ blieb durch die Revolutionen des Jahres 1917 bis auf  die eben angedeutete Ausnahme, in der es keine „offizielle Politik“ gab, in Kraft, nur verlor sie nach der Festsetzung der Provisorischen Regierung ihren konspirativen Charakter. Es waren die bürgerlichen Verlierer des revolutionären Machtkampfes, die nun immer konspirativer vorgehen mussten, da diese Minoritäten die Massen nicht mehr über das Parlament  als Repräsentanten des volonté générale blenden konnten. Im Hintergrund sammelten sich die knochenbrecherischen roten Falken um den Generalsekretär Stalin, während Rosa Luxemburg die roten Tauben um sich sammeln wollte, da ihr der Leninsche Purismus von je her suspekt war.

1. Die Losung „Nieder mit der Selbstherrschaft“ hatte bereits die Plechanowsche Gruppe „Befreiung der Arbeit“ in den achtziger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts als Propagandalosung aufgestellt, sie wurde im Jahre 1905 bereits zur einer Agitationslosung und vor der Februarrevolution zu einer Aktionslosung. (Siehe: Stalin, Zur Frage der Strategie und Taktik der russischen Kommunisten, Werke Band 5, Dietz Verlag Berlin 1952,150f.). Am letzten Januartag 1917 hatte Lenin im „Sozialdemokrat“ Nr. 58 einen Artikel veröffentlicht, er gab ihm die Überschrift: „Eine Wendung in der Weltpolitik“, am Ende dieses Artikels gelangte er zu der Feststellung: „Die revolutionäre Situation in Europa ist da“. (Lenin, Eine Wendung in der Weltpolitik, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1956,125). Schon 1916 war die Streikwelle in Russland gestiegen: von den 2 300 Streiks in diesem Jahr mit 1,8 Millionen Teilnehmern  galten 347 als politische. Allein im Januar und Februar 1917 gab es 751, davon 412 politische. (Vergleiche Volker Berghahn, Der Erste Weltkrieg, Verlag C.H. Beck, München 2003,90f.). Einen wesentlichen Beitrag zum Sturz der Autokratie leisteten auch die proletarischen Frauen, die am achten März, am „Internationalen Tag der Frau“, in Fabrikstreiks traten. Einen Tag vorher hatte Lenin seinen ersten Brief aus der Ferne geschrieben, im dem er gleich anfangs von der ersten Etappe der ersten Revolution sprach. Diese werde nicht die letzte Etappe sein. (Vergleiche Lenin, Briefe aus der Ferne, a.a.O.,126).

2. „An Doppelherrschaft hatte früher niemand gedacht und konnte niemand denken“. (Lenin, Über die Doppelherrschaft, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin, 1960,20). Schon durch die Sowjeterfahrungen von 1905, mehr noch durch die der Februarrevolution revidierte Lenin den Marxismus in der Ansicht, dass – wie es Engels 1891 in der Kritik des Erfurter Programms festlegte – die demokratische Republik die spezifische Form für die Diktatur des Proletariats sei. In seiner fünften Aprilthese verkündete Lenin 1917, dass die Organisierung der Sowjetrepublik die spezifischere Form sei. „Keine parlamentarische Republik – von den Sowjets der Arbeiterdeputierten zu dieser zurückzukehren wäre ein Schritt rückwärts…“ (Lenin, Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin, 1978,5). Die Zarin, die militärische Geheimnisse an den deutschen Feind verriet (Vgl. Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946,209), schrieb in Zarskoje Selo einen Brief an ihren Gatten: „Die zwei Strömungen – die Duma und die Revolutionäre – sind zwei Schlangen, die, wie ich hoffe, einander die Köpfe abbeißen werden – das würde die Lage retten.“ (zitiert in: Erwin Hölzle, Lenin 1917, Janus Bücher 1957,17). Auch die Duma war für die Zarin eine Schlange, denn sie verweigerte den zaristischen Befehl vom 26. Februar 1917, sich aufzulösen. So kam es, dass die demokratische und die proletarische Bewegung ineinander verflochten waren – in einer weltgeschichtlich einmaligen Situation. Diese konnte von dem kleinbürgerlichen Parteien der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre insofern ausgenutzt werden, als die Masse der Sowjets sich aus politisch wenig erfahrenen kriegsmobilisierten Kleinbauern bildete, deren Klassenbewußtsein ungenügend war. (Vergleiche Lenin, Über die Doppelherrschaft, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin, 1960,22).  Es setzte eine geduldige Aufklärungsarbeit der Bolschewiki ein, die Früchte trug. Sie nahmen Kontur an während des  Kornilowputsches, der offenbarte, dass die Sowjets eine enorme revolutionäre Abwehrkraft gegen ihn in sich bargen. Der Putsch hatte die Bauern wachgerüttelt und hinterließ nicht nur eine Bolschewisierung der Sowjets, sondern auch probolschewistische Linksströmungen in den Reihen der Sozialrevolutionäre und in denen der Menschewiki (die Internationalisten).

3. Lenin, Staat und Revolution, Dietz Verlag Berlin, 1960,404. Lenin hat hier aus der Schrift von Friedrich Engels „Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates“ zitiert und fährt dann historisch erläuternd fort: „So die absolute Monarchie des 17, und 18, Jahrhunderts, so der Bonapartismus des ersten und zweiten Kaiserreichs in Frankreich, so Bismarck in Deutschland“. (a.a.O.).

4. Vergleiche Lenin, Resolution des Zentralkomitees der SDAPR (B), angenommen am Morgen des 22. April (5. Mai 1917), Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,198

5. Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Komunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag Berlin, 1977,472

6. „Die Natur hat Millionen Jahre gebraucht, um bewußte Lebewesen hervorzubringen, und nun brauchen diese bewußten Lebewesen Tausende von Jahren, um bewußt zusammen zu handeln; bewußt nicht nur ihrer Handlungen als Individuen, sondern auch ihrer Handlungen als Masse; zusammen handeln und gemeinsam ein im voraus gewolltes gemeinsames Ziel verfolgend. Jetzt haben wir das beinahe erreicht. Und diesen Prozess zu beobachten, diese sich nähernde Herausbildung von etwas in der Geschichte unserer Erde noch nie Dagewesenem, scheint mir ein Schauspiel, das des Betrachtens wert ist, und während meines ganzen vergangenen Lebens konnte ich die Augen nicht davon wenden“. 3. Friedrich Engels an George William Lamplugh vom 11. April 1893, Werke Band 39, Dietz Verlag Berlin 1960,63

Kapitalistische Ausbeutung nimmt naturgemäß zu: Fast 20 % qualifizierter Arbeitskräfte arbeiten für Niedriglohn

20. Januar 2013

Die Ausbeutung qulifizierter Arbeitskräfte mit Berufsabschluss in Vollzeitarbeit durch Unterbezahlung nimmt zu. Im Jahre 2010 waren 2,4 Millionen Vollzeitbeschäftigte mit berufsspezifischer Ausbildung lediglich Geringverdiener. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Deutschen Gewerkschaftsbundes unter Federführung von Wilhelm Adamy, dem Arbeitsmarktexperten des DGB, die im November 2012 in Berlin veröffentlicht wurde. Ausgewertet wurden die Meldungen für die Sozialversicherung, die die Kapitalisten für die Lohnarbeiter vornehmen. Untersucht wurden Entwicklungen im Niedriglohnbereich der letzten elf Jahre, von 1999 bis 2010. Demnach ist die Zahl der Niedriglohnempfänger seit 1999 um knapp 150 000 gestiegen. Für Westdeutschland wurde eine Steigerung der Ausbeutung um 8,7 Prozent festgestellt. In der gesamten Bundesrepublik ergab sich, dass 19,1 Prozent unterbezahlt sind. Also fast zwanzig Prozent arbeiten im Niedriglohnsektor, wenn man 1 800 Euro Bruttolohn als Niedriglohnschwelle zugrunde legt gemäß der Vorgabe der OECD, ein Niedriglohnempfänger ist, wer weniger als zwei Drittel des nationalen Medianeinkommens verdient. Aufgeteilt in Ost- und Westdeutschland ergab sich, dass es in Ostdeutschland 19,2 Prozent Niedriglohnempfäner gibt, im Westen 16,6 Prozent. Dabei wurde für den Osten eine Niedriglohnschwelle von 1379 Euro brutto veranschlagt, für die alte Bundesrepublik mit 1890 Euro. Erschwerend hinzu kommt, dass das Risiko, als Vollzeitbeschäftigte einen Niedriglohn zu bekommen für Qualifizierte lediglich halb so hoch ist wie für Arbeiter/innen ohne Berufsausbildung. Und die Wirtschaft klagt weiter über Fachkräftemangel. Liest man die Studie bis zu Ende durch, so muss man leider feststellen, dass sich Adamy im Kleinkrieg der Lohnarbeit gegen das Kapital verheddert hat. Die Widersprüche zwischen Lohnarbeit und Kapital sind antagonistisch, der Kapitalist will für möglichst wenig Euro viel proletarische Arbeitskraft kaufen , der Proletarier will für möglichst wenig Verausgabung von Arbeitskraft viel Geld, und insofern denkt er selbst noch im bürgerlichen Sinne, denkt er selbst noch wie ein Kapitalist, der seine Ware Arbeitskraft möglichst hoch verkaufen will. Die Gewerkschaften „verfehlen ihren Zweck gänzlich, sobald sie sich darauf beschränken, einen Kleinkrieg gegen die Wirkungen des bestehenden Systems zu führen, statt gleichzeitig zu versuchen, es zu ändern, statt ihre organisierten Kräfte zu gebrauchen als einen Hebel zur schließlichen Befreiung der Arbeiterklasse, das heißt zur ENDGÜLTIGEN ABSCHAFFUNG DES LOHNSYSTEMS“ (kursiv von Heinz Ahlreip). (Karl Marx, Lohn, Preis und Profit, Werke Band 16, Dietz Verlag Berlin 1960,152).

Die Bedeutung des Proletariats und der Philosophie für den 25jährigen Marx

18. Januar 2013

Um die Jahreswende 1843/44 hat der junge Marx in Paris die Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie verfasst. Diese Kritik war als ein umfassendes, richtungsweisendes Werk gegen die reaktionäre preußische Staatsphilosophie vom revolutionären Standpunkt aus gefasst. Eine Veröffentlichung unterblieb indeß. Marx war sich über den komplexen Stoff noch nicht völlig im Klaren, wie er dann 1844 in der Vorrede zu den „Ökonomisch Philosophischen Manuskripten“ selbst eingestand: „Bei der Ausarbeitung zum Druck zeigte sich die Vermengung der nur gegen die Spekulation gerichteten Kritik mit der Kritik der verschiedenen Materien selbst durchaus unangemessen, die Entwicklung hemmend, das Verständnis erschwerend. Überdem hätte der Reichtum und die Verschiedenartigkeit der zu behandelnden Gegenstände nur auf eine ganz aphoristische Weise die Zusammendrängung in EINE (kursiv von Marx) Schrift erlaubt, wie ihrerseits eine solche aphoristische Darstellung  den SCHEIN (kursiv von Marx) eines willkürlichen Systematisierens erzeugt hätte“ (Karl Marx, Vorrede zu den Ökonomisch Philosophischen Manuskripten 1844″, zitiert in: Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin 1957,605). Marx sah die Lösung zunächst darin, in einer Serie von Broschüren das Recht, die Moral, die Politik usw. einer Einzelkritik zu unterwerfen, um abschließend eine Generalkritik der spekulativen Philosophie überhaupt vorzulegen. Im ideologischen Kampf gegen den Junghegelianismus wurde aber dieser Plan verworfen, zusammen mit Engels erfolgte eine Generalkritik der spekulativen Philosophie in den Werken „Die Heilige Familie“ und in der „Deutschen Ideologie“.Im Gegensatz zu den deutschen Philosophen fragten sie nach dort nach dem Zusammenhang zwischen der deutschen Philosophie mit der deutschen Wirklichkeit.

In der Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie wird zunächst die atheistische Weltanschauung als Bedingung revolutionärer Tätigkeit kardinalisiert. Der Mensch, der sich nicht um seine eigene Sonne dreht, kann nicht die gesellschaftlichen Verhältnisse radikal verändern. Es war der Philosoph Feuerbach, der im Vorfeld der 48er Revolution den Atheismus mit dem Credo: Der Mensch macht die Religion, die Religion macht nicht den Menschen, philosophisch gegen die trunkene Spekulation Hegels begründete. Sosehr die Leistung Feuerbachs auf weltanschaulichem Gebiet auch eine philosophische Glanztat war und er die Kritik der Religion zum Abschluß gebracht hatte, so ist die Überwindung der Religion für Marx nicht nur aus dem intellektuellen Ringen von Einzelsubjekten, von einzelnen fortschrittlichen Philosophen zu erklären, sondern man muß von einer rein theoretischen, kritischen, bei Feuerbach anthropologisch begründeten zu einer objektiven gesellschaftlichen Überwindung der religiösen Phantasterei übergehen: „Der Mensch, das ist die Welt des Menschen“ (Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie / Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin 1957,378). Hier haben wir sowohl die Kurzformel des Fortschritts von Marx über Feuerbachs Anthropologie hinaus als auch im Keim die Feuerbachthesen angelegt. Die Aufhebung der Religion ist nur durch die Aufhebung gesellschaftlicher Verhältnisse effektiv möglich, die als verkehrte Welt eine „feierliche Ergänzung“ (a.a.O.), ein verkehrtes religiöses Bewußtsein erzeugen. Die Existenz eines Überbaus (Politik, Recht, Religion usw.) verweist auf eine verkehrte Welt, im Keim enthält die Kritik der Religion die Kritik der Erde, sprich: die Kritik der bürgerlichen Gesellschaft intentional mit dem kategorischen Imperativ, „alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist…“ (a.a.O.,385). Mit der philosophischen Kritik der bürgerlichen Gesellschaft geht einher das Versprechen des Himmels auf Erden, den die bürgerliche Gesellschaft verhindert.  Die verwandelnde Erlösung der Erde aus einem Jammertal in ein Himmelreich, in dem man morgens Fischer, mittags Jäger und abends kritischer Kritiker sein kann, sei, nachdem sich die Kritik der Religion in eine Kritik der Erde verwandelt habe,  zunächst die Aufgabe der Philosophie, die im Dienste der Geschichte steht. In dieser wissenschaftlichen Arbeitsteilung stecken gewiss noch idealistische Hegelsche Residuen, denn die Geschichte macht nichts, heißt es später in der „Deutschen Ideologie“. Erst am Ende seines Einleitungstextes kommt Marx auf das weltgeschichtliche Erlösungspotential zu sprechen, das im Proletariat, einer Klasse mit radikalen Ketten, in der sich der völlige Verlust des Menschen verkörpere, steckt. In Paris entdeckte Marx also endlich die Mission der Arbeiterklasse als weltgeschichtliche: „einer Sphäre endlich, welche sich nicht emanzpieren kann, ohne sich von allen übrigen Shären der Gesellschaft zu emanzipieren…“ (a.a.O.,390). Allerdings: den Kopf dieser Emanzipation bilde die Philosophie – auf dieser Stufe befindet sich der Marxismus erst noch auf der Höhe eines philosophischen Kommunismus. Und wenn Marx weiter schreibt, das Herz dieser Emanzipation bilde das Proletariat, so ist eine Bildmetaphorik Feuerbachs unverkennbar.

Das  politisch und ökonomisch rückständige Deutschland war von dem Himmelreich des Kommunismus nun von allen Großmächten Europas mit Ausnahme Russlands am weitesten entfernt, nur in seiner klassischen Philosophie war es auf der Höhe der Zeit. Deshalb wird die Kritik dieser Philosophie eine weltgeschichtlich kommunistische Bedeutung haben. In der  höchsten Entwicklung der Spekulation beginnt ihr Untergang. Links- und Rechtshegelianer, progressive und konservative Philosophen,  nahmen nun entgegengesetzte Positionen zum Verhältnis der Philosophie zu ihrer eigenen Aufhebung ein. Beide Flügel bleiben im Bering der Philosophie, wenn auch nicht in dem der idealistischen. In den Kreisen der Linkshegelianismus mit dem sich Marx primär auseinandersetzt, ging zwar die Kritik der Philosophie in die Aufhebung einer idealistisch begründeten Philosophie über, aber nicht in die von ihnen selbst zu Recht geforderte der Philosophie selbst. Die Aufhebung der Philosophie läßt sich nicht dadurch bewerkstelligen, dass man ihr einfach den Rücken zukehrt, insbesondere bei dem hohen Rang, den sie in Deutschland genießt. Die Emanzipation geht für Marx nur über bzw. durch die Philosophie hindurch. Das Philosophischwerden der Welt und die Verweltlichung der Philosophie durchdringen sich reziprok. „Ihr verlangt, dass man an wirkliche Lebenskeime anknüpfen soll, aber ihr vergeßt, dass der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur unter seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen“.  (a.a.O.,384). Da die hegelsche Philosophie die Theorie des modernen Staates ist, fordert Marx die Negation der Philosophie von der liberalen Partei als Schmettern des gallischen Hahnes. „Die deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der offiziellen modernen Gegenwart al pari (auf gleicher Stufe / Heinz Ahlreip) stehende deutsche Geschichte“ (a.a.O.,383). Die Rechtshegelianer wiederum, die sich auf die konservative Seite der hegelschen Staatsphilosophie stützen, können diese unzeitgemäßen feudalen Relikte als Philosophie nicht verwirklichen, ohne sie aufzuheben. („Negation der seitherigen Philosophie, der Philosophie als Philosophie“ a.a.O.,384). 1.

Marx kritisiert also (in Fortsetzung seiner bereits in seiner Dissertation „Die Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ 1840/41 angelegten Kritik) sowohl Links- als auch Rechtshegelianer, er will über beide Widersprüchlichkeiten der hegelschen Lager, die für ihn idealistische Positionen bleiben, hinaus: „Wenn also der status quo des deutschen Staatswesens die Vollendung des ancien régime ausdrückt, die Vollendung des Pfahls im Fleische des modernen Staats, so drückt der status quo des deutschen Staatswissens die Unvollendung des modernen Staats aus, die Schadhaftigkeit seines Fleisches selbst“. (a.a.O.,385). Die emanzipative Transzendierung der hegelianischen Links- Rechts- Positionen erfolgt bei Marx durch eine changierende Conjunction zwischen Philosophie und PROLETARIAT, das heißt Marx ist in dieser Phase seiner Entwicklung noch kein konsequenter Materialist. Ein Satz wie folgender wäre nach der „Deutschen Ideologie“ nicht möglich gewesen: „Damals scheiterte der Bauernkrieg, die radikalste Tatsache der deutschen Geschichte, an der Theologie. Heute, wo die Theologie selbst gescheitert ist, wird die unfreiste deutsche Tatsache, der deutschen Geschichte, unser status quo, an der Philosophie zerschellen“. (a.a.O.,386).  „Relativ stabile materialistische Positionen befinden sich bei Marx erst in den Jahren 1845/46 (Deutsche Ideologie)“. ( Werner Goldschmidt, Lars Lambrecht: Von der Philosophie zur „reellen Wissenschaft“ – Thesen zur Erforschung der Genesis des Marxismus, in: DIALEKTIK 6, Beiträge zu Philosophie und Wissenschaften, Karl Marx – Philosophie, Wissenschaft, Politik, Studien zur Dialektik, Pahl Rugenstein Verlag Köln 1983,75). Da eine materialistische Begründung der Philosophie noch nicht vorliegt, sie noch nicht dem Überbau zugeschlagen ist, sie sogar noch als den Einzelwissenschaften übergeordnetet bewertet wird, verfällt Marx in die Illusion, durch die deutsche Philosophie könne Deutschland, dass vom Standpunkt der politischen Emanzipation neben Russland das Allerletzte sei, durch einen revolutionären Sprung, durch einen salto mortale, die führende revolutionäre Nation Europas werden. „Deutschland als der zu einer eignen Welt konstituierte Mangel der politischen Gegenwart wird die spezifisch deutschen Schranken nicht niederwerfen können, ohne die allgemeine Schranke der politischen Gegenwart niederzuwerfen. Nicht die radikale Revolution ist utopischer Traum für Deutschland, nicht die allgemein menschliche Emanzipation, sondern vielmehr die teilweise, die nur politische Revolution, die Revolution, welche die Pfeiler des Hauses stehen läßt“. (Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie / Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin,1957,387f.). (Noch am Ende des Kommunistischen Manifestes heißt es, dass die Kommunisten auf Deutschland ihr Hauptaugenmerk richten. Vergleiche Karl Marx, Friedrich Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, Werke Band 4, Dietz Verlag 1977,493). „Es fragt sich: Kann Deutschland zu einer Praxis à la hauteur des principes gelangen, das heißt zu einer Revolution, die es nicht nur auf das offizielle Niveau der modernen Völker erhebt, sondern auf die menschliche Höhe, welche die nächste Zukunft dieser Völker sein wird ?“ (a.a.O.,385). Die fortschrittliche Philosophie und das entmenschte Proletariat bilden die explosive Mischung, die die ganze bürgerliche Gesellschaft wegsprengt, um Platz für die menschliche Gesellschaft zu schaffen. Da das Proletariat total entmenschlicht ist, kann seine Revolution nicht mehr wie alle bisherigen bürgerlichen Revolutionen nur eine politische sein. „Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat“ (a,a,O,.391). Auf dieser Stufe acceptiert Marx noch den Totalitätsanspruch des deutschen Philosophen Hegel. Eine generelle Hegel Kritik und eine spezielle Dialektik Kritik stehen noch an.

Die Kernschwierigkeit dürfte klar sein: kann in Deutschland die tiefe Kluft zwischen Theorie und Praxis, zwischen der erreichten Höhe der Philosophie und der erbärmlichen praktisch politischen Wirklichkeit überhaupt revolutionär überwunden werden ? Der Grundgedanke des 25jährigen Karl Marx ist nun der, dass gerade in dieser radikalen Negativität der Umschlag in die totale menschliche Revolution zur totalen menschlichen Gesellschaft liege, so dass in diesem Land der Extreme die bürgerliche Revolution übersprungen werden könne. Der Revolutionsimpotenz der deutschen Bourgeoisie korrespondiert der weltrevolutionäre philosophische Orgasmus des deutschen Proletariats. Denn es gibt gegenüber dem deutschen Proletariat keinen besonderen Stand der Unterjochung, sondern es wird von der ganzen bürgerlichen Gesellschaft durch das Privateigentum unterjocht. „Wenn das Proletariat die Negation des Privateigentums verlangt, so erhebt es nur zum Prinzip der Gesellschaft, was die Gesellschaft zu seinem Prinzip erhoben hat, was IN IHM (kursiv von Marx) als negatives Resultat der Gesellschaft schon ohne sein Zutun verkörpert ist“. (a.a.O.,391). Auf dieser Stufe überragt die Philosophie die reellen Einzelwissenschaften, es ist noch ein Hochgefühl der Philosophie, das Marx mitfeiert, die „Ernüchterung“ kommt erst in der „Deutschen Ideologie“, in der auch die Königsdisziplin der Philosophie „entzaubert“ wird, die in sich kreisende, selbständige, von den reellen Wissenschaften getrennte Philosophie verhalte sich zum Studium der wirklichen Welt wie „Onanie und Geschlechtsliebe“. (Karl Marx, Friedrich Engels: Die deutsche Ideologie, Werke Band 3, Dietz Verlag Berlin, 1960,218).

In der Tat ergab sich aus der spezifisch deutschen ökonomischen Rückständigkeit und der aus ihr verbundenen politischen eine Differenzschwierigkeit für die internationalistisch ausgerichteten menschheitsbeglückende Revolutionstheorie. Deutschlands theoretische Revolution war die Reformation, die das Herz in Ketten gelegt hat. 2., die Deutschen wurden durch sie „pfäffisch“ und diese „pfäffische Natur“ gilt es abzuarbeiten. Können diese Pfaffen eine radikale Revolution vollziehen ? Können sie sie vollziehen zumal der deutschen Rückständigkeit ? Und können sie die menschliche Revolution vollbringen ohne vorherigen Vollzug der politischen ? Resignativ stellt Marx zunächst fest, dass die stufenweise politische Befreiung, die über die bürgerlichen Mittelschichten, wie in Frankreich in Deutschland nicht möglich ist. Dort hatte der Bourgeois gesagt: Ich bin nichts und ich könnte alles sein. „In Deutschland darf einer nichts sein, wenn er nicht auf alles verzichten soll“. (Karl Marx, Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie / Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin 1957,389). Keine bürgerliche Klasse kann Deutschland revolutionieren – nur eine Klasse mit radikalen Ketten, eine „Klasse der bürgerlichen Gesellschaft, welche keine Klasse der bürgerlichen Gesellschaft ist…und kein besonderes Recht in Anspruch nimmt, weil kein besondres Unrecht, sondern das Unrecht schlechthin an ihr verübt wird…“ (a.a.O.,390).  Marx schlußfolgert, dass die Auflösung der Gesellschaft als ein besonderer Stand das Proletariat sei. Der Kommunismus ist das aufgelöste Rätsel der Weltgeschichte, wird es wenig später in den „Pariser Manuskripten“ heißen. Am Ende seiner Hegelkririk löst Marx zunächst die Widersprüche , in denen sich sowohl Links- als auch Rechtshegelianer verheddert hatten, weil sie in ihrer philosophischen Befangenheit die weltgeschichtliche Bedeutung des Proletariats nicht erfasst hatten. „Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie“. (a.a.O.,391). Die Philosophie verwirklicht sich als Wissenschaft der allgemeinsten Bewegungs- und Entwicklungsgesetzte der Natur, der Gesellschaft und des Denkens. Die Philosophie verwirklicht sich als Dialektik. 3.

1. In der „Deutschen Ideologie“ wird das Verhältnis zwichen Alt- und Junghegelianern so dargestellt: “ Die Althegelianer hatten Alles BEGRIFFEN (kursiv von Marx und Engels), sobald es auf eine Hegelsche logische Kategorie zurückgeführt war. Die Junghegelianer KRITISIERTEN (kursiv M,E) Alles, indem sie ihm religiöse Vorstellungen unterschoben oder es für theologisch erklärten. Die Junghegelianer stimmen mit den Althegelianern überein in dem Glauben an die Herrschaft der Religion, der Begriffe, des Allgemeinen in der besthenden Welt. Nur bekämpfen die Einen die Herrschaft als Usurpation, welche die Andern als legitim feiern“. (Karl Marx, Friedrich Engels, Deutsche Ideologie, Werke Band 3, Dietz Verlag Berlin 1978,19).

2. In seiner Bestimmung der Reformation gibt uns Marx ein Musterbeispiel dialektischer Wortakrobatik: „Luther hat allerdings die Knechtschaft aus Devotion besiegt, weil er die Knechtschaft aus Überzeugung an ihre Stelle gesetzt hat. Er hat den Glauben an die Autorität gebrochen, weil er die Autorität des Glaubens restauriert hat- Er hat die Pfaffen in Laien verwandelt, weil er die Laien in Pfaffen verwandelt hat. Er hat den Menschen von der äußern Religiosität befreit, weil er die Religiosität zum innern Menschen gemacht hat. Er hat den Leib von der Kette emanzipiert, weil er das Herz in Ketten gelegt“. (a.a.O.,386).

3. Der philosophische Kommunismus des 25jährigen Karl Marx war ein historisch notwendiges Zwischenstadium.

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17. Januar 2013

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Sahra Wagenknecht „Misses Fünfprozent“, die „Gott sei bei uns Kommunistin“ und Lenin über linke Politik heute

13. Januar 2013

In der Zeitung zur Landtagswahl in Niedersachsen „DIE LINKE“ ist auf Seite 2 ein Kommentar von Frau Sahra Wagenknecht abgedruckt; „Eine Frage der Gerechtigkeit“. In diesem Kommentar fordert sie die Einführung einer fünfprozentigen Vermögenssteuer für Millionäre. Sie räumt also Millionären durchaus ein Existenzrecht als Millionäre ein. Ist unter sogenannten Linken von Prozenten die Rede, müssen wir zuerst bei Lenin nachschlagen: „Den Millionären 80 bis 90 Prozent ihrer Einnahmen wegnehmen, das kann man…“ (Lenin, Krieg und Sozialismus, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,413). Wir sehen sofort, dass Lenin Millionären kein Existenzrecht einräumt und das sollte als Kriterium für „Linke Politik heute“ gelten. An jeder Aktie klebt Blut und Schweiß und es ist mit fünf Prozent nicht abgetan. „Misses Fünfprozent“ schützt im Grunde mit ihrer konterrevolutionären Forderung Volksfeinde und wahrt die Interessen des Kapitals.  Sie ist also keineswegs das kommunistisches Gespenst, für das sie ausgegeben wird. In ihrem Buch: „Freiheit statt Kapitalismus“ schreibt sie, dass sie wüßte, dass sie für viele Pseudokonservative und Pseudoliberale die Gottseibeiunskommunistin sei. (Vergleiche Sahra Wagenknecht, Freiheit statt Kapitalismus, Eichborn Verlag Frankfurt 2011,12). Werte Genossin „Gottseibeiuns“, spricht denn etwas dagegen, die Millionäre in Bastschuhe zu stecken und sie in Arbeitshäuser zu disziplinieren ? Nach ihrer Entlassung sollten ihnen für eine gewisse Zeit spezielle Pässe ausgestellt werden, so dass sie bei jeder Kontrolle durch Volksorgane sofort als ehemalige Parasiten erkennbar sind. Kontrastiert man Ihre mickrige Forderung von fünf Prozent, die wohl nur im Land der klassischen Konterrevolution möglich ist,  mit Lenins Forderung, die Bourgeoisie völlig zu VERNICHTEN (kursiv von Heinz Ahlreip), so haben wir hier ja wirklich eine göttliche Kommunistin vor uns. Marx forderte den Krieg gegen die deutschen Zustände, er forderte dies bereits 1843/44 und er forderte nicht fünf Prozent, er forderte nicht, den Feind zu widerlegen, sondern er forderte, ihn zu VERNICHTEN (kursiv von Heinz Ahlreip), er forderte die Herrschaft der Sozietät über den Reichtum. (Vergleiche Karl Marx, Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie/ Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin, 1957,380 und 382). Allerdings – führen wir Krieg gegen die Kapitalisten, so ist an das Fundamentalgesetz des Krieges zu erinnern: sich selbst zu erhalten und den Feind zu vernichten. Fünf Prozent Vermögenssteuer – sieht so die Herrschaft der Sozietät über den Reichtum aus ? Wenn im deutschen Bauernkrieg die revolutionären Bauern 1525 in Ostwürttemberg sangen: „Wir wollens`s Gott im Himmel klagen, Kyrieleis – Dass wir die Pfaffen nicht totschlagen dürfen“, so ist heute die Frage durchaus erlaubt: Warum wir die Millionäre nicht totschlagen dürfen ? Proletariche Revolutionen müssen durch einen revolutionären Bauernkrieg ergänzt werden 1. ) und ein Element dieser Kriege ist nun einmal ein robuster Vandalismus und in der urwüchsigen Primitivität der Volksmassen werden die Millionäre nicht ganz ungeschoren davonkommen. In den antiken Sklavenhaltergesellschaften bestimmte Aristoteles den Sklaven zum vernunft- und seelenlosen Werkzeug, dessen Tötung kein Mord war. Im Mittelalter haben die Adeligen mit ihren Leibeigenen blutigste Kriege geführt, in denen Millionen Leibeigene ihr Leben verloren. Die kapitalistischen Millionäre haben Millionen Tote in den Weltkriegen auf dem Gewissen und in „ihren“ Kolonien wahre Blutbäder angerichtet und da kommt Sahra Wagenknecht mit fünf Prozent. Nein ! Aristoteles bleibt in Kraft, nur umgekehrt. Wenn ausgebeutete Massen „ihren“ Millionär totschlagen oder an eine rostige Laterne aufhängen, wie zu Zeiten Marats,, so kann das wohl kaum als Mord gewertet werden. Wir haben den Freibrief dazu und den Freispruch: „Es ist leicht zu beweisen, dass ein Sklave, der seinen Herren tötet, sich dadurch weder gegen das Gesetz der Natur noch gegen das Menschenrecht versündigt.“ (Jean Jacques Rousseau, Der Luxus, der Handel und die Künste, in: Kulturkritische und politische Schriften, Rütten & Loening Verlag, Berlin,1989,560). Heute muß man schon wahre Ausgrabungen machen, um an Sätze heranzukommen, die der größten Revolution des 18. Jahrhunderts das Stichwort gaben. 2. Was ist also unter linker Politik heute zu verstehen ? Es ist leicht zu beweisen, dass ein Lohnsklave, der seinen kapitalistischen Herren tötet, sich dadurch weder gegen das Gesetz der Natur noch gegen das Menschenrecht versündigt !! Die Frage war schon 1848 im Manifest von Marx und Engels nicht, ob die Macht- und Eigentumsverhältnisse des Kapitalismus in Frage zustellen sind, sondern: wie sind sie zu zerschlagen ? Alle großen Revolutionäre antworteten seitdem einstimmig: durch die revolutionäre Gewalt der Volksmassen unter Führung der Kommunistischen Partei. Die Pariser Kommune zeigte, das man den bürgerlichen Parlamentarismus ausrotten muß. Es kann keinen Vertrag, keinen Waffenstillstand mit Personen geben, die es nur auf die Ausplünderung der Völker abgesehen haben. Alle großen Fragen im Leben der Völker werden durch Gewalt gelöst. Dagegen schreibt Wagenknecht: „Frieden ist möglich, aber in Auseinandersetzung mit der bestehenden Ordnung, keineswegs, indem man sich mit und in ihr einrichtet“ (Sahra Wagenknecht, Linke Politik heute, in: Rotfuchs Juni 2011,RF Extra S. I)


Darf ich Frau Wagenknecht an die Worte Stalins erinnern: Um in der Politik nicht fehlzugehen muss man Revolutionär sein und nicht Reformist. (Josef Stalin, Über dialektischen und historischen Materialismus, in: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946,133). Wenn ich mit fünf Prozent Vermögenssteuer ankomme, dann habe ich erhebliche Zweifel, ob Frau Wagenknecht bereit ist, den mit diesen Millionären zusammenhängenden bürgerlichen Staatsapparat zu zerschlgen, zu zerbrechen, ihm jedes Glied, auch das bürgerliche Parlament zu brechen. Frau Wagenknecht hat sich eingehend mit wirtschaftlichen Fragestellungen auseinandergesetzt, aber auf welcher Grundlage. ? Man braucht intellektuell kein Dissertationsniveau haben, um ein Beispiel zu verstehen, das Lenin uns gegeben hat. Ein einfaches Zitat aus einer us amerikanischen Wirtschaftszeitung für die Hochfinanz ist sehr vielsagend: „Um die Welt zu beherrschen, braucht man zwei Dinge: Dollars und Banken. Dollars haben wir, Banken werden wir gründen, und wir werden die Welt beherrschen“. Lenin sagt, in diesem Satz steckt tausendmal mehr Wahrheit als in den Tausenden Artikeln bürgerlicher Lügner. (Vergleiche Lenin, Krieg und Sozialismus, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,402). „Und jeder Dollar trägt  Blutspuren“, wie Lenin es in seinem Brief an die amerikanischen Arbeiter schrieb. (Vergleiche Lenin, Brief an die amerikanischen Arbeiter, in: Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin 1957,202). Das alles ist heute Gemeingut gebildeter Menschen und auch Genossin Wagenknecht weiß: „Das Erpressungspotential der Finanzhaie sowie der enorme Einfluß der Konzerne und Wirtschaftsmächtigen auf die Politik ist nur durch eine Neuordnung der Eigentumsverhältnisse zu überwinden“ (Sahra Wagenknecht, Linke Politik heute, in: Rotfuchs Juni 2011,S. II). Das kann zu Mißverständnissen führen, denn eine „Neuordnung der Eigentumsverhältnisse“ findet ständig statt gerade innerhalb der kapitalistischen Rahmenbedingungen. (Je ein Kapitalist schlägt viele tot !) Halten wir uns lieber an das Klassische: Vergesellschaftung des Privateigentums an Produktionsmitteln, so die wissenschaftlich präzise Formulierung von Marx und Engels im Manifest von 1848. Dabei ist das nicht einmal der Kernpunkt. Zentral ist „die allumfassende vom ganzen Volk getragene Arbeiterkontrolle über die Kapitalisten und ihre möglichen Anhänger.  Mit der Konfiskation allein ist es nicht getan, denn sie enthält kein Element der Organisation, der Rechnungsführung über die richtige Verteilung“: (Lenin, Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten ?, in: Ausgewählte Werke, Progress Verlag Moskau, 1971,412).

Was unterscheidet diese Kommunistin Wagenknecht von dem Sozialdemokraten Steinbrück , der im Dezember 2011 auf dem Berliner Parteitag der SPD (siehe google: lenin unser aller lehrer faschistische bluthunde unter sich) seine Parteigenossen aufforderte, die Reichen nicht zu verprellen ? Geht doch eine Koalition ein, ihr „Befreier der Menschheit vom Joch des Kapitals“ und werft Prozente als Köder hin. Diese Prozente zeigen doch an, dass ihr zur sozialen Stütze der kapitalistischen Volksfeinde degeneriert seid, die gar kein Interesse haben, dass ihr ein wenig mehr nach rechts rutscht, mit dem LINKEN läßt sich besser linken. Im Sumpf des parlamentarischen Republikanismus, der politisch und historisch betrachtet der Welt von gestern angehört und  der den Klassemkampf durch die Rivalität von Cliquen ersetzt, seid ihr doch ohnehin schon eigesackt. Der japanische Materialist und Atheist Nakae Chomin  (Tokosuke) bezeichnete das Parlament als „zoologischen Garten blutloser Würmer“.  (Nakae Tokusuke, in: Geschichte der Philosophie, Band IV, VEB Deutscher Verlag für Wissenschaften Berlin, 1962,517). Der Parlamentarismus verläuft sich in sich selbst. Die Hochrechnungen am Wahlsonntag sind nur Reflex finanzkapitalistischer Hochrechnungen. Denn irgendetwas Klassenkämpferisches hat ihre Fünfprozentforderung nicht. In „ihren“ Parlamenten wird um fünf, sechs, sieben Prozent debattiert und gestritten. In diesen Organen wird die Freiheit der Völker in alle Himmelsrichtungen posaunt, und am untersten Ende dieser erbärmlichen Institutionen stehen die sogenannten Saaldiener und Saaldienerinnen, die Putzfrauen, die den Parlamentariern niedrigste Helotendienste zu leisten haben. Die Abschaffung dieser feudalen Residuen ist doch wohl auch eine Frage der Gerechtigkeit. Auf die Aufklärung gerade der Dienstboten, der Rückständigsten, der Hilfsarbeiter hat Lenin besonderen Wert gelegt. (Vergleiche Lenin, Resolution des Zentralkomittees der SDAPR (B), angenommen am Morgen des 22. April (5. Mai) 1917). Wie lange sitzt DIE LINKE GIRONDE schon im Bundestag und auf dessen Toiletten ? Und übersieht die Notwendigkeit, gerade diese Proletarier/innen aus einer Stütze der Bourgeoisie in eine der Revolution zu verwandeln. Sollen die Abgeordenten des deutschen Bundestages doch die von ihnen benutzten Schwatzbudentoiletten selber saubermachen. Bei den hohen Diäten doch wohl eine Selbstverständlichkeit !! Unter anderen auch deshalb lautete ja eine Aprilthese von Lenin: „Keine parlamentarische Republik – von den Sowjets der Arbeiterdeputierten zu dieser zurückzukehren wäre ein Schritt rückwärts…“ (Lenin, Über die Aufgaben des Proletariats in der gegenwärtigen Revolution, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin, 1978,5). Soziologische Theoretiker schreiben ganze Bücher über Räte und Parlamentarismus – und übersehen die Putzfrauen ! Auch Lenin unterlief dieser Fehler. „An das Brot hatte ich, ein Mensch, der keine Not kannte, nicht gedacht. Das Brot stellte sich für mich irgendwie von selbst ein, als eine Art Nebenprodukt der schriftstellerischen Arbeit“. (Lenin, Werden die Bolschewiki die Staatsmacht behaupten ?, in: Ausgewählte Werke, Progress Verlag Moskau, 1971,423).

1.) Das war bereits ein Gedanke von Karl Marx, den Lenin vertieft hat. Es trifft nicht zu, wenn Manfred Hildermeier in seinem Buch über die russische Revolution 1905 bis 1921 das notwendige Bündnis zwischen diesen Klassen als Entdeckung Lenins darstellt, es hat nach Marx und Engels (Der deutsche Bauernkrieg) nur kein Marxist an der Thematik weitergearbeitet. (Vergleiche Manfred Hildermeier, Die Russische Revolution 1905 bis 1921, Neue Historische Bibliothek, edition suhrkamp Erste Auflage, Frankfurt am Main 1989, 67).

2. Würden die Verfassungsschutzorgane der heutigen bürgerlichen Republiken diese fundamentale Aussage Rousseaus zum Maßstab ihrer Feindbestimmung nehmen, so wären sie nicht länger Handlanger ausbeuterischer Minderheiten. Auch eine Revolutionierung des Geschichtsunterrichts in den Schulen wäre längst überfälllig, in dem man doch zu gerne Revolutionäre als Terroristen hinstellt und ausblendet, dass der revolutionäre Terror nur eine Reaktion auf den angeblich gottgewollten von oben ist. So war Ludwig der XVI., Gatte der Marie-Antoinette, Mitglied der Getreidemafia, die durch künstlich erzeugte Hungersnöte die Brotpreise in die Höhe trieb. (Pacte de famine).
Ist das etwa kein Terror ? Frauen und vor allem Kinder starben ! Auch alte Männer. Das betraf ganze Regionen in Frankreich.

Die Selbstermächtigung der Politik durch Jürgen Habermas Peter Bofinger Julian Nida-Rümelin und Oskar Lafontaine

1. Januar 2013

EIN SOZIALDEMOKRATISCHES KONZEPT DER VEREINGTEN STAATEN VON EUROPA

oder das Märchen von der sozialstaatlichen Bürgerdemokratie. (…es wird nichts verschleiert).

Finanzkrisen sind eine völlig natürliche Sache,, sie sind dies allerdings nur innerhalb der kapitalistischen Gesellschaft, aus ihr heraus. Nicht nur werden fast alle von ihr erfasst, fast alle Mitglieder der Ausbeutergesellschaft, die unter das Joch des Kapitals gedrückt sind, fast alle sind auch gezwungen, nach Lösungen suchen zu müssen. Ebenso natürlich ist in kapitalistischen Ausbeuter“ordnungen“, dass es Parasiten gibt, die sich an Krisen (und Kriegen) immer noch immens bereichern. Vornehmlich hat doch die Globalkrise von 1930 bis 1933 gezeigt, dass in der sozialistischen Sowjetunion die Industrieproduktion in diesen drei Krisenjahren um mehr als das Doppelte stieg, während die der USA auf 65 Prozent im Vergleich zu 1929 fiel, Englands auf 86, Deutschlands auf 66, Frankreich auf 77 Prozent. (Vergleiche: Geschichte der Kommunistischen Partei der Sowjetunion (Bolschewiki) Kurzer Lehrgang, Verlag der Sowjetischen Militärverwaltung in Deutschland, Berlin 1946,363).

Vornehmlich werden Geisteswissenschaftler und Politiker auf den Plan gerufen, die ihre Rezepte, ihre Lösungsvorschläge zur Überwindung der Krisen und Kriege anbieten. Weltpolitisches stehe schließlich auf dem Spiel, wie wir auch bei Habermas & Co sehen werden. Die marxistisch leninistische Lösung im Namen des Weltproletariats ist klar: sie gibt die Lösung jenseits der alten kapitalistischen Gesellschaft. Zur Überwindung der Krisen und Kriege müssen deren Verursacher völlig vernichtet werden. Lenin spricht in seinem Fundamentalwerk „Staat und Revolution“ von der völligen Vernichtung der Bourgeoisie. Die Ausbeutung des Volkes durch diese ist es denn auch, die Krisen und Kriege verursacht. Klar ist auch, dass die Lösungen, die innerhalb des kapitalistischen Ausbeutungssystems bleiben und dieses nicht transzendieren, keine wirklichen Lösungen sein können: Krisen und Kriege kommen und gehen im Kapitalismus mit eherner Notwendigkeit, wie Ebbe und Flut. Sie kommen und gehen, solange Ausbeutung und Warenproduktion die Gesellschaft in arm und reich spaltet. In der kapitalistischen Gesellschaft mündet eben die Arbeit vieler in den Reichtum weniger. Die Masse des Volkes fristet ein Dasein am Rande des Existenzminimus, sinkt immer tiefer und macht durch ihre Arbeit Parasiten reicher und reicher.

Zur Behebung der sogenannten Eurokrise erschien in dem Pflichtblatt der Frankfurter Wertpapierbörse, in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 3. August 2012, ein Artikel von Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin: „Kurswechsel in Europa – Einspruch gegen die Fassadendemokratie“ und Oskar Lafontaine wandte sich am 22. November 2012 kritisch gegen diesen. „Wartet nicht auf bessere Zeiten !“ – so lautete die Überschrift seines Artikels. Anlaß des ersten Artikels war ein Besuch des SPD Vorsitzenden Sigmar Gabriel beim Philosophen Jürgen Habermas, um ihn zu bitten, einen Beitrag zum Regierungsprogramm der SPD zu schreiben. Aber Habermas zog noch einen weiteren Philosophen hinzu, Nida-Rümelin, und den Ökonomen Bofinger und heraus kam ein Einspruch gegen die Fassadendemokratie. Diesen Text wollen die Autoren denn auch als Grundlage des sozialdemokratischen Programms gewertet wissen. Nach Meinung der FAZ sei dies ein neues Verfahren: das Programm werde nicht mehr im „closed shop“ geschrieben, sondern im Austausch mit Wissenschaftlern und Intellektuellen. Gehen wir ins einzelne dieses philosophisch ökonomischen Textes und betrachten wir die Lösungsvorschläge von Autoren, die in der bürgerlichen Presse für links gehalten werden.

Habermas & Co kritisieren zunächst die Politik der Bundesregierung als perspektivlos und plädieren für einen Strategiewechsel in der Eurokrise, mit dem die Position Europas in der Weltpolitik neu definiert werden soll. Schon der erste Satz des ganzen Artikels ist eigentümlich verunglückt: „Die Eurokrise spiegelt das Versagen einer perspektivlosen Politik“. Es ist umgekehrt: die Politik spiegelt reaktiv die ursächlich in der ökonomischen Basis steckende Krise wider. Und der ganze Aufsatz von Habermas & Co krankt nun daran, aufzeigen zu wollen, dass man durch eine bessere nichtchristliche, sondern sozialdemokratischen Politik die Eurokrise meistern könne. Darin liegt eine Grundtäuschung: als ob die Politik, die durch Tausende von Fäden des Bankkapitals umstrickt wird, die an Händen und Füßen an dieses gebunden ist, eigenständig Lösungen zur Überwindung der Krise und auch noch der Bankdominanz „produzieren“ könne. Man kann nicht erwarten, sie solle diese Fäden zerreißen. Wer sich auch nur ein wenig wissenschaftlich mit dem Verhältnis von Ökonomie und Politik, mit dem Verhältnis der Welt des Reichtums zu der Welt der Politik  auseinandergesetzt hat, für den pfeifen es die Spatzen doch von den Dächern: dass die Bundesrepublik in Wahrheit eine Fiananzmonarchie ist. Die drei Autoren schreiben selbst, dass trotz der von der Politik „produzierten“ umfangreichen Rettungsprogramme und kaum noch zu zählender Krisengipfel sich die Situation des Euroraums in den beiden vergangenen Jahren kontinuierlich verschlechtert habe. Aus dem Vorwurf an die verantwortlichen Politiker, mangelhafte politische Gestaltungskraft bewiesen, die europäischen Institutionen nicht vertieft zu haben, folgt dann allerdings ein intellektueller salto mortale, der seinesgleichen sucht: allen Ernstes wird von einer Selbstermächtigung der Politik gefaselt. In seiner ganzen Länge lautet der Satz so: „Die Rechtfertigung eines großen Integrationsschrittes  (gemeint ist die „Vertiefung der Institutionen“  !! / Heinz Ahlreip) ergibt sich jedoch nicht nur aus der aktuellen Krise des Euroraums, sondern gleichermaßen aus der Notwendigkeit, das Unwesen des gespenstischen Paralleluniversums , das die Investmentbanken und Hedgefonds neben der realen , Güter und Dienstleistungen produzierenden Wirtschaft aufgebaut haben, durch eine Selbstermächtigung der Politik wieder einzufangen“.  (www.faz.net/-hi9-71tz8). Hierbei kann aber das Paralleluniversum ganz beruhigt sein, solange nicht das Gespenst des Kommunismus auftaucht. Und selbst in ihm kann nicht von einer Selbstermächtigung der Arbeiterklasse gesprochen werden, die ohne ein Bündnis mit den Kleinbauern die Macht nicht halten könnte. Selbstermächtigung der Politik – was für eine kostbare Perle ! Auf der theoretischen Ebene würde das bedeuten, dass „Politik“ aus sich selbst erklärbar sei, eine Auffassung, die seit der „kritischen Revision der Hegelschen Rechtsphilosophie“ durch Karl Marx der Gesellschaftswissenschaft Hohn spricht. Wir wissen dass Marx immer nur von einer Kritik der Politik ausging, sogar davon „unsre Kritik an die Kritik der Politik“ (Karl Marx an Ruge, Kreuznach, im September 1843, Marx Engels Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin,1957,345) anzuknüpfen, also doppelt kritisch. Wer von einer Selbstermächtigung der Politik phantasiert, verläßt das Fundament selbst der kritischen Aufklärung- Karl Marx verband die Kritik der Religion mit der der Politik. Wer die Politik nicht kritisiert, kritisiert auch nicht die Theologie. (Vergleiche Karl Marx, Kritik der hegelschen Rechtsphilosophie / Einleitung, Werke Band 1, Dietz Verlag Berlin 1957,379). Wie oft sprach Lenin, für den übrigens die Menschen in der Politik immer Opfer von Betrug und Selbstbetrug sind, angesichts solcher Perlen von einem Oblomowtum (nach Oblomow, dem Helden des gleichnamigen Romans des russischen Schriftstellers Gontscharows). Pläne über Pläne schmieden- diesem Schmieden sind durch eine Selbstermächtigung der Politik Tür und Tor geöffnet. Brecht war bekanntlich sehr skeptisch, was Pläne und ihr Gehntun angeht. Um nun sogleich durch ein historisches Beispiel zu belegen, wie es um die Selbstermächtigung der Politik steht, so frage ich zunächst: ist ein Weltkrieg und sein Ausgang für eine daran beteiligte Nation eine fundamentale Existenzfrage ? Im ersten Weltkrieg blieb doch das Rätsel, warum der deutsche Generalstab nach einem unbefristeten Frieden mit Russland vom 15. Dezember 1917 nicht seine Divionen nach Westen warf, wo sie geopolitisch und militärpolitisch den Krieg zugunsten Deutschlands entschieden hätten. Der englische Oberbefehlshaber Feldmarschall Haig konnte sein Glück kaum fassen, einer Niederlage durch diesen eklatanten Schnitzer entgangen zu sein. Das Rätsel löst sich einfach: „Indes hatten die deutschen Industriellen jedoch schon ihre den Donbass und das Baltikum betreffenden „Bestellungen“ abgegeben“. (Alexander Vatlin, Deutschland im weltpolitischen Kalkül der Bolschewiki 1918, in: Geschichte des Kommunismus und Linkssozialismus, „Die Wache ist müde“, Neue Sichten auf die russische Revolution von 1917 und ihre Wirkungen, herausgegeben von Wladislaw Hedeler / Klaus Kinner, Karl Dietz Verlag Berlin 2008,103). Da haben wir ein Beispiel, was Politik bewirkt. Ohnmächtig und tatenlos muss sie zuschauen, wie eine Handvoll Verbrecher Deutschland in die militärische Niederlage treibt. Und dann kam der Bluthund Noske. Will denn Jürgen Habermas das deutsche Volk wirklich für so dumm verkaufen, dass es von der Politik Rettung erwarte, wo diese doch den Volksfeinden Handlangerdienste leistet und somit an seinem Untergang mitwirkt. Ich empfehle als Nachhilfelektüre Lenins Artikel: „Wie sie sich an die Kapitalisten gebunden haben“ im Band 24 seiner Werke, Eine Selbstermächtigung der Politik kann es nicht geben, „selbst wenn sie es wollte“. (Lenin, Wie sie sich an die Kapitalisten gebunden haben, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,166). Der Text der drei Intellektuellen ist in einer Satzkomplexität verfasst, dass das Volk ihn nicht versteht, wohl auch nicht verstehen soll, denn er ist ja an die Adresse der Börsianer und Kapitalisten verfasst, eine verschwindende Minderheit im deutschen Volk. Lenin führt Sätze einer Zeitung der  amerikanischen Milliardäre an, also der Frankfurter Allgemeinen verwandt, die aber jeder versteht und die im Grunde den ganzen Habermastext ad absurdum führen: „Um die Welt zu beherrschen, braucht man zwei Dinge: Dollars und Banken. Dollars haben wir, Banken werden wir gründen, und wir werden die Welt beherrschen“. Und Lenin sagt dazu völlig zu Recht (auch Herr Habermas darf sich angesprochen fühlen): „Das ist die Erklärung einer führenden Zeitung der amerikanischen Milliardäre. Ich muß sagen; in diesem zynischen amerikanischen Ausspruch eines eingebildeten und frech gewordenen Milliardärs steckt tausendmal mehr Wahrheit als in Tausenden Artikeln bürgerlicher Lügner…“ (Lenin, Krieg und Revolution, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,402). WIR werden die Welt beherrschen und nicht die Politiker. Ist es denn so schwer zu verstehen, dass die Bankiers und Millionäre  in einer proletarischen Revolution mit harter Hand angepackt werden müssen und dass es bei weitem nicht reicht, die Einführung einer fünfprozentigen Vermögenssteuer für Millionäre zu fordern. wie dies Frau Sahra Wagenknecht im niedersächsischen Landtagswahlkampf tut. (Sahra Wagenknecht, Eine Frage der Gerechtigkeit, DIE LINKE, Zeitung zur Landtagswahl in Niedersachsen, Seite 2). „Den Millionären 80 – 90 Prozent der Einkünfte weggnehmen – das kann man…“ (Lenin, Krieg und Sozialismus, Werke Band 24, Dietz Verlag Berlin 1978,413).

Bemerkenswert ist auch die Wortakrobatik dieser Intellektuellen, ein Kostprobe dazu: „Die erforderlichen Maßnahmen zu einer Re-Regulierung liegen auf der Hand. Aber sie kommen nicht zum Zuge, weil einerseits eine Implementierung dieser Maßnahmen im nationalstaatlichen Rahmen kontraproduktive Folgen hätte und andererseits die 2008 auf dem ersten Londoner G-20 Gipfel beschlossenen Regulierungsmaßnahmen ein weltweit koordiniertes Handeln erfordern würden, die einstweilen an der politischen Fragmentierung der Staatengemeinschaft scheitert“. (a.a.O.). Will sagen: die bisherige Regulierungspolitik steckt in einer Zwickmühle zwischen globalem Steuerungsanspruch und nationaler Beschränktheit, die sich noch immer aus der politischen Fragmentierung der Staatengemeinschaft ergibt. Lösungen im nationalstaatlichen Rahmen können daher immer nur kontraproduktiv sein. Eine deutliche „Vertiefung der Integration“ könne die nationalstaatliche Fragmentierungshürde zu Fall bringen und strukturelle Ungleichgewichte im gemeinsamen Währungsraum ausgleichen. „Nur mit einer deutlichen Vertiefung der Intergration läßt sich eine gemeinsame Währung aufrechterhalten, ohne dass es einer nicht endenden Kette von Hilfsmaßnahmen bedarf, die die Solidarität der europäischen im Währungsraum auf beiden Seiten, der Geber- und wie der Nehmerländer, langfristig überfordern würde. Eine Souveränitätsübertragung auf Europäische Institutionen ist dafür jedoch unvermeidlich, um Fiskaldisziplin wirksam durchzusetzen und zudem ein stabiles Finanzsystem zu garantieren“. (a.a.O.). Interessanterweise sprechen die drei Autoren nicht von einer Eurokrise, der Euro habe sich als eine stabile Währung erwiesen. „Die Krise ist eine Refinanzierungskrise einzelner Staaten des Euroraums, die in erster Linie einer unzureichenden institutionellen Absicherung der gemeinsamen Währung geschuldet ist“. (a.a.O.). Deshalb sei ein fundamentaler Strategiewechsel notwendig, da alle bisherigen Therapien die Verschärfung der Refinazierungskrise nicht aufgehalten hätten. Es ginge um nichts Geringeres als das Überleben der Währungsunion, in deren Raum – fügen wir hinzu – zwanzig Millionen Menschen arbeitslos sind ? Und deren Überleben ist wohl wichtiger als das einer Währungsunion. Die entscheidende Frage aber ist: ist der Kapitalismus überhaupt für die große Masse des Volkes überlebenswürdig ? Überlebensfähig ist er nicht, denn er ist historisch entstanden, damit vorübergehend, eben vergänglich – denn alles was entsteht, ist wert, dass es zu Grunde geht. In jedem „ist“ ist „werden“ und „vergehen“ zugleich, jeder Augenblick der Geschichte birgt zugleich Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft in sich.

Angesichts der bisherigen Mißerfolge der Refinanzierungspolitik verbiete sich eine Lösung auf nationaler Ebene. „Nur durch eine gemeinschaftliche Haftung für Staatsanleihen des Euroraums kann das für die dezeitige Instabilität der Finanzmärkte konstitutive individuelle Insolvenzrisiko eines Landes beseitigt oder zumindest begrenzt werden“. (a.a.O.,). Auf einer höheren Ebene, nämlich auf einer transnationalen,  wird dann die Politik „die verlorene Handlungsfähigkeit der Politik gegenüber den Imperativen des Marktes“ (a.a.O.). wiedergewinnen. Ein soziales Europa in einer politischen Union, sei mit der Umkehrung des inzwischen fortgeschrittenen Prozesses der Umwandlung der sozialstaatlichen Bürgerdemokratien in eine marktkonforme Fassadendemokratie versprochen. Im Eurowährungsraum sollte auf Initiative der Bundesrepublik ein Verfassungskonvent einberufen werden, so dass gemäß dem Schlachtruf des amerikanischen Unabhängigkeitskampfes „No taxation without representation“ der Gesetzgeber, „der über die Verteilung der Staatsausgaben beschließt, mit dem demokratisch gewählten Gesetzgeber identisch ist, der für diese Ausgaben Steuern erhebt“. (a.a.O.). Wir sollten uns aber eben nicht auf politische Losungen vor der französischen Revolution berufen, die sich ideologisch um die Kernidee der Anarchie konzentrierte, sondern auf die Losungen der Oktoberrevolution, in einer von ihnen wurde vom „Einschlafen der Demokratie“ gesprochen. Legen wir den proletarisch revolutionären Maßstab zu Grunde, eine Gesellschaft ohne Staat und ohne Geld, kann man denn Forderungen wie europäische Demokratie und festes Währungssystem anders denn als konterrevolutionär bezeichnen ?Man halte die Habermas´sche Bestimmung von Demokratie ins Licht der marxistischen Gesellschaftswissenschaft: „Demokratische Selbstbestimmung heißt, dass die Adressaten zwingender Gesetze zugleich deren Autoren sind“. Wird hier vom Absterben der Demokratie gesprochen ? Wir kennen doch im Kapitalismus die Autoren: gerade die rotgrüne Bundesregierung hat für ein Personalaustauschprogramm gesorgt, so dass Firmenlobbyisten gesetzgebend in den Ministerien sitzen. Und das europäische Parlament in Brüssel ist doch die Lobbyistenhochburg schlechthin. Auch wird Habermas wohl kaum behaupten können, dass Arbeitslose die Autoren der Hartz IV Gesetze gewesen sind, sie müssten dann ja „Gesetze, deren Autoren Arbeitslose sind“ heißen.

Durch den Verfassungskonvent soll nun,  bei positiven Ausgängen der Referenden, erreicht werden, dass die europäischen Völker die Souveränität, die ihnen von „den Märkten“ längst geraubt worden ist, auf europäischer Ebene wiedergewinnen“ (a.a.O.). Aber meine Herren bürgerliche Intellektuelle ! Es geht doch um ein Kapitalverbrechen: Souveränitätsraub !! Konkret von Kriminellen begangen, nicht von „den Märkten“ – soll denn der perverse Bankiers- und Kapitalistenabschaum Europas straffrei ausgehen ? Man darf die traditionell sozialdemokratische intellektuelle Beschränktheit, dieses widerliche Katzenbuckeln vor dem Kapital, keineswegs auf die europäischen Völker übertragen. Es sind nicht zehn, hundert, tausend – es sind Millionen und Abermillionen Rechnungen offen und wir dürfen keine Scheu vor dem europäischen Bürgerkrieg haben, der als revolutionärer eben auch mit Blut, Ekel, Terror und Tod behaftet ist. Das ist die bittere keine Wortakrobatik duldende Realität, die durch noch so viel Wortakrobatik nicht aus der Welt zu schaffen ist. Wer diesem innerlich total verfaulten Europa des Kapitals noch eine Eurozukunft verheißt, gehört kann einfach nach Australien und dort unter die Känguruhs augesetzt. Es ist eine Täuschung der europäischen Völker, wenn die drei Autoren ohne Liquidierung des Kapitals als Zukunftsideal eine „supranationale Demokratie“ anpreisen, die nur eine Demokratie für die Reichen und die Knute für die Armen beinhalten kann. Außerdem wollen sie uns schizophren machen: „Die heute fällige Vertiefung der Institutionen könnte sich von der Idee leieten lassen, dass ein demokratisches Kerneuropa die Gesamtheit der Bürger aus den EWU Mitgliedsstaaten repräsentieren soll, aber jeden einzelnen in seiner DOPPELTEN (kursiv von Jürgen Habermas, Peter Bofinger und Julian Nida-Rümelin) Eigenschaft als direkt beteiligten Bürger der reformierten Union einerseits, als indirekt beteiligtes Mitglied eines der beteiligten Völker andererseits“. Der Riß zwischen dem arbeitenden und steuerzahlenden Menschen zu einer ihm entfremdeten kapitalistischen Objektivität ginge „supranationalistisch“ und direkt-indirekt noch einmal durch ihn selbst hindurch. Der Trennung von bürgerlichen Gesellschaften und europäischen Staaten entspräche der von „bourgeois“ und „citoyen“. Für die europäischen Steuerzahler steht doch soviel fest, und sie spiegeln hier die Wirklichkeit richtig wider, dass die von Kapitalisten und Bankiers verursachte Krise der Finanzmonarchien durch ihr unschuldiges bürgerliches Bluten bezahlt wird. Alles massives Aufspreizen mit Fremdwörtern kann nicht darüber hinwegtäuschen, das das kapitalistische Wirtschaftssystem seinem Untergang zusteuert und dass es heute die Aufgabe der fortschrittlichen Intelligenz ist, die Steuerzahler zum Sturz der europäischen Finanzmonarchien aufzurufen. Die Sozialdemokratie ist bereits so verfault, dass sie sich nicht einmal zu einem Minimum an Jakobinismus aufraffen kann. Habermas & Cö haben gewiß ihr intellektuell Bestes an politischem Verstand gegeben, um eine untergehende kapitalistische Wirtschaftsordnung zu retten. Indeß hat der politische Verstand so seine Eigentümlichkeiten, man lese nach, was Marx in dem Artikel „Kritische Randglossen zu dem Artikel: Der König von Preußen und die Sozialreform. Von einem Preußen“  (MEW 1,392ff.) über seine Beschränktheit geschrieben hat. Das Geld gehört für sie nicht einer Welt von gestern an, sondern soll weiterhin unser Leben pervertieren.  Deshalb darf man es den Autoren nicht abnehmen, dass sie, wie sie schreiben, nichts verschleiern wollen. Rein psychologisch wäre interessant, warum sie das eigens betonen. Oh doch, es wird verschleiert ! Das ist allerliebst, ein Artikel aus intellektuellen Federn für die deutsche Sozialdemokratie, veröffentlicht in einem Börsenpflichtblatt und  — es wird nichts verschleiert !

Verschleiert wird, dass die Idee der „Vereinigten Staaten von Europa“ nicht ein Kind des ausgehenden 20. Jahrhunderts ist, sondern schon während des ersten Weltkrieges von Sozialisten thematisiert wurde. Lenins Analysen und Beurteilungen dieses Konzepts haben aktuelle Gültigkeit unter imperialistischen Bedingungen. Er bezeichnete sie vom Standpunkt der ökonomischen Bedingungen des Imperialismus unter kapitalistischen Verhältnissen als reaktionär. Wenn nach Habermas & Co die „europäischen Bevölkerungen“ ihre Kräfte bündeln müssen, um in der imperialistischen Welt noch mitwirken zu können, wozu führt unter diesen Bedingungen diese Bündelung ? Nach Lenin führt sie dazu, „wie man mit vereinten Kräften den Sozialismus in Europa unterdrücken“ (Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin 1956,64) kann. Alle Wortakrobatik, alle Verschleierung durch das Aufspreizen mit Fremdwörtern à la Habermas kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Losung einer „supranationalen Demokratie“ unter kapitalistischen Verhältnissen falsch ist. Man kann ganze Bücher über die Zukunftsaussichten von supranationalen Bürgerdemokratien vollschreiben, sie ändern nichts an der Tatsache, dass die Arbeiter unter dem Joch des Kapitals, sei es national, europäisch, global, Arbeitstiere der modernen Lohnsklaverei bleiben.

Der Politiker Oskar Lafontaine ist in einer Zwickmühle – natürlich muss er sich als Politiker politisch selbstermächtigen – und kann daher nur andere Pläne schmieden, er kann nicht für eine Überwindung des Klassenkampfes durch ihn, für die Überwindung von Politik, von Demokratie und des Geldes plädieren. Er unterbreitet unter Bemühung des griechischen Staatsmanns Perikles und des Historikers Canfora einen anderen Lösungsvorschlag innerhalb der „Vereinigten Staaten von Europa“. Dieser lautet: Die gegenwärtige Finanzkrise läßt sich durch eine richtige Interpretation der Bestimmung der Demokratie des Perikles lösen ! Nach Oskar Lafontaine machen die drei Autoren den gleichen formalen Fehler, „den schon die Urheber des europäischen Verfassungsentwurfs, unter ihnen der ehemalige französische Präsident Giscard d´Estaing, gemacht haben, als sie im Jahre 2003 in der Präambelzum Entwurf ein Zitat des Perikles falsch wiedergaben: „Mit Namen heißt unsere Verfassung, weil der Staat nicht auf wenige Bürger, sondern auf eine größere Zahl gestellt ist, Volksherrschaft“.  (Oskar Lafontaine, Wartet nicht auf bessere Zeiten, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. November 2012, Seite 29). Canfora habe diese Fälschung, deren Wurzel bei Thukydides liegt, aufgedeckt, richtig ist vielmehr: „Der Name, mit dem wir unsere politische Ordnung bezeichnen, heißt Demokratie, weil die Angelegenheiten nicht im Interesse weniger, sondern der Mehrheit gehandhabt wird“. Mag hier für Oskar Lafontaine ein fundamentaler Unterschied liegen, er übersieht, dass dieses Demokratieverständnis des Perikles rechtskräftige Gültigkeit nur für die kleine Sklavenhalterklasse Griechenlands hatte, innerhalb dieser und untereinander, die Sklaven, die die große Mehrheit des Volkes stellten, waren nach der Definition des Aristoteles vernunft- und seelenlose Werkzeuge. Die Tötung eines Sklaven durch den Sklavenhalter galt daher nicht als Mord. Und welche Bedeutung hatten die Frauen in der Perikles-Demokratie ? Kann man denn überhaupt von Demokratie reden, wenn Frauen nicht für gleiche Arbeit den gleichen Lohn bekommen ? Was soll denn das für eine Demokratie sein ? Das ist doch der fundamentale Unterschied zur proletarischen Demokratie, in der sich der heutige Sklave als Anhängsel der industriellen Großmaschinerie emanzipiert. Und in dieser Emanzipation behält Aristoteles weiterhin Gültigkeit – nur umgekehrt: die Tötung eines Konterrevolutionärs, eines Bankiers, eines Kapitalisten, eines Pfaffen, eines Volksfeindes wird nicht als Mord gelten.

Lafontaine widerspricht dem euro-internationalistischen Ansatz, gerade nicht auf europäischer Ebene, auf nationaler müsse die Umwandlung von Zockerbuden in Sparkassen erfolgen. (Vergleiche a.a.O.). Er spricht sich für eine anders verfasste europäische Zentralbank aus, die Krisenstaaten Direktkredite zum Zentralbankzins geben soll, für eine Änderung der Zumutbarkeitsklausel bei Hartz IV, die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns und eine produktivitätsorientierte Tarifpolitik aus. Eine anders verfasste europäische Zentralbank ? Lenin schrieb im August 1915: „Jene Zeiten, in denen die Sache der Demokratie und die Sache des Sozialismus nur mit Europa verknüpft war, sind unwiderruflich entschwunden“. (Lenin, Über die Losung der Vereinigten Staaten von Europa, in: Lenin, Über den Kampf um den Frieden, Dietz Verlag Berlin, 1956,64). Die europäische Verchwörung des Kapitals gegen die Arbeit ist heute nur ein Teil, ein Nebenkriegsschauplatz der weltbürgerlichen Verschwörung des Kapitals, die auf den G-Gipfeln ihre gemeinsame Taktik zum Ausbeuten der Völker abspricht. Wo und wann diese Verschwörung durchbrochen wird, wissen wir nicht und können wir nicht wissen. Aber soviel haben doch die Einlassungen, oder soll man besser schreiben: Auslassungen, von Habermas und Lafontaine gezeigt: die Arbeiterklasse kann ohne die Vernichtung der Agenten der Bourgoisie, ohne die Zerschlagung DIESER Sozialdemokratie im Vorfeld des Bürgerkrieges die Bourgeoisie nicht tödlich treffen. Die Sozialdemokratie ist die soziale Hauptstütze des Weltkapitals.